Die Herren der Unterwelt 02 - Schwarzer Kuss
lackierte Fußnägel.
„Habe ich dir etwas getan?“, wiederholte er.
„Würde dir das etwas ausmachen?“, erwiderte sie mit geneigtem Kopf. „Ich meine, bis vor Kurzem wolltest du mir unbedingt etwas antun.“
Lucien kniff die Lippen zusammen. Nie durfte er sie spüren lassen, wie sehr er sie inzwischen bewunderte. Wie sehr er sie mittlerweile brauchte. Ich glaube, deine Zunge an ihrer empfindlichsten Stelle hat schon genug gezeigt. Aber erst, wenn er ihr den Schlüssel gestohlen hatte, durfte er diese Gefühle zulassen.
„Schon gut“, bermerkte sie leichtherzig. „Die Antwort wäre sowieso egal gewesen.“ Sie wand sich aus seinen Armen, drehte ihm den Rücken zu und ging hinüber zu dem Sofa, das er vollkommen zerlegt hatte. Auf der Armlehne, die noch halbwegs intakt war, nahm sie Platz. „Also wirklich? Was war denn bloß los? Ich habe noch nie solch eine dämonische Mine gesehen? Deine Augen sind rot gewesen!“ Sie erschauderte. „Das war gruselig. Und nicht schön.“
„Ich habe dir doch schon einmal gesagt, dass du mich nicht wütend machen darfst.“ Bei den Göttern, er konnte nicht glauben, dass es tatsächlich so weit gekommen war, dass seine dunkelste Seite hervorgekommen ist. Er hatte immer darauf geachtet, dass es nicht passierte. Aber der Gedanke an Anya hatte ihn zu traurig gemacht … Lucien musste einen Schrei unterdrucken.
Schließlich gestand er es sich ein: Niemals hätte er sie töten können. Noch nicht mal ganz zu Anfang, als sie sich noch nicht so gut kannten. Es war wirklich widerlich, wie er sich um ihre Sicherheit Sorgen machte. Er war genauso schlimm wie Maddox. „Was willst du von mir, Anya? Warum bist du zurückgekommen?“
„Zunächst um Folgendes zu tun …“ Während sie aufstand, schnalzte sie mit der Zunge. Nachdem sie zu ihm gekommen war, und ein angekettetes Handgelenk genommen hatte, hielt sie es in den Mondstrahl, der durch das Fenster fiel. Mit der anderen Hand machte sie eine Bewegung über dem Metall, die aussah, als würde sie winken.
Zwischen ihren Fingern leuchtete ein bernsteinfarbenes Licht auf. Lucien wurde warm, und er spürte, wie die Handschelle aufsprang und die Kette zu Boden fiel.
„Der allmächtige Schlüssel?“, fragte er geschockt.
„Ja.“ Sie ließ die Hände sinken. „Wirst du mir erzählen, was dich so wütend gemacht hat?“
„Ich habe gesehen, dass du mit Cronus gesprochen hast.“
„Wie? Das hast du gesehen? Wie denn?“
„Ich weiß nicht, wie. Ich habe dich einfach vor meinem geistigen Auge gesehen. Was wollte er?“
Sie blinzelte. „Er wollte den Schlüssel haben.“
Dieser verdammte Schlüssel! „Sag mir, warum aus dir ein Licht scheinen kann.“ Lucien war davon ausgegangen, dass der Schlüssel aus Metall war.
„Nein. Aber ich werde dir Folgendes sagen: Sobald du mich tötest, um an den Schlüssel zu kommen, wird er dir deine Macht nehmen. Du wirst keine Kraft mehr haben. Jetzt weißt du es. Darum will Cronus, dass du die schmutzige Arbeit machst, damit du machtlos wirst. Und bevor du anfängst, das zu kommentieren: Ich wollte dir das nie sagen, denn erstens wollte ich nie sterben und zweitens hättest du sowieso gedacht, dass ich lüge, um dich von mir fernzuhalten. Aber jetzt weißt du es endlich. Damit du nicht behaupten kannst, ich hätte dich nicht gewarnt.“
Da er sie nicht mehr töten wollte, brauchte er auch diese Warnung nicht mehr. „Wie schafft es Cronus, dir den Schlüssel wegzunehmen, wenn er in dir steckt?“
„Das weißt du doch schon. Du tötest mich, dann wird dir deine Kraft entzogen, und er holt sich den Schlüssel aus meinem toten Körper.“
„Das heißt, dass du sterben musst, damit ihn jemand anders bekommen kann?“
„Nein. Ich könnte ihn auch freiwillig hergeben.“
„Dann gib ihm ihn doch endlich!“
„Wenn ich Cronus den Schlüssel freiwillig gebe, dann werde ich schwächer. Für immer. Und was noch schlimmer ist: Ich kann mich dann nicht mehr von einem Ort zum anderen teleportieren. Verstehst du?“
Oh, ja. Jetzt verstand er auf alle Fälle. Ihm wurde schlecht, er hätte sich fast übergeben. Er konnte ihr den Schlüssel nicht entwenden, ohne sie zu töten, und Anya konnte Cronus ihn nicht freiwillig geben, weil sie sonst ihre Macht eingebüßt hätte. Also hatte Lucien nichts außer Anyas Leben, was er dem Gott für ein Tauschgeschäft anbieten konnte. Was sollte er nur tun?
Ohne seine innere Zerrissenheit zu bemerken, sah sich Anya im Zimmer um. „Hast du
Weitere Kostenlose Bücher