Die Herren der Unterwelt 02 - Schwarzer Kuss
sie eindringen wollte, dann würde sie nicht mehr fliehen oder einfach verschwinden können, um sich zu retten.
Mit einem Schrei schlug Lucien seine Faust gegen die Wand des Schlafzimmers, in dem sie genächtigt hatten. Dieses Schlafzimmer hatte er mit Anya geteilt, mit der schönen, mutigen und vor Energie sprühenden Anya. Unter seiner Hand fiel der Putz von der Wand, Blut quoll aus einer Wunde.
Anya war die Frau, die sich nicht von seinen Narben abschrecken ließ und hinter die Fassade sah. Wenn sie bei ihm war, hatte er das Gefühl, er könnte die Welt erobern, und dieses Gefühl wollte er nicht mehr missen. Als er sie in den Armen gehalten hatte, war das eine Erfahrung, der nichts in seinem Leben glich. Nicht annähernd etwas Ähnliches hatte er jemals erlebt.
Lucien fuhr sich mit der schmerzenden Hand über das Gesicht. Sie tat weh? Tatsächlich. Und die Wunde war auch noch nicht verheilt. Um die Gelenke herum wurde die Haut grün und blau.
Du wirst schwächer, hatte ihn Cronus gewarnt.
Er lachte bitter. Egal, wie er sich entscheiden würde, auf alle Fälle würde er schwächer werden.
„Wir finden es schon“, beruhigte ihn Anya leise.
Sofort drehte er sich um. Dort stand sie, im Türrahmen, ganz in Weiß. Sie trug einen dicken weißen Pelzmantel und hautenge weiße Hosen. Ihre grandiosen Beine steckten in weißen Pelzstiefeln. Ihre hellen Haare fielen ihr über die Schultern bis auf die Brüste. Sein Herz schlug schneller.
Sie hielt einige weiße Kleidungsstücke in der Hand. „Du hast schon gewusst, dass mich Cronus gestern aufgesucht hat. Nun, du hattest recht. Er hatte mich bedroht, das war der Grund, warum ich so gemein zu dir war. Ich wollte nicht, dass er erfährt, dass ich … dass ich …“ Sie schluckte.
„Ich liebe dich, Anya“, gestand er widerwillig. „Ich liebe dich, und ich kann dich … ich werde dir nichts antun. Verstehst du?“
Sie sah ihn ungläubig an und ließ den Stapel Kleidung fallen. „Lucien … ich …“
„Du musst jetzt nichts sagen. Ich habe dich besser kennengelernt, Anya. Du bist wild und brauchst deine Freiheit. Die Idee, einen Mann zu lieben, scheint dich unglaublich zu ängstigen.“
Sie schaute auf ihre Schuhe. Zum ersten Mal in ihrem Leben hasste sie sich nicht dafür.
Lucien freute sich darüber. Er wünschte sich, dass sie alles das tat, was ihr einfiel, mit ihm zusammen. Und sei es, dass sie ihre Füße betrachtete.
„Was ich für dich empfinde, habe ich bisher für noch keinen Mann empfunden“, sagte sie leise. „Am glücklichsten bin ich, wenn ich mit dir zusammen sein kann. Warum hätte ich mich sonst von dir nicht abschütteln lassen, wenn du doch die Macht hattest, mich umzubringen? Aber Liebster …“ Sie schluckte schon wieder und schüttelte den Kopf. „Ich habe mein ganzes Leben lang versucht, mir die Männer vom Hals zu halten. Aber irgendwie hast du es geschafft, dass es mir bei dir nicht gelingt. Du bist mir sehr nahe gekommen, aber ich kann dich einfach nicht lieben.“ Den letzten Satz brachte sie gequält hervor.
„Ich weiß.“ Es war Lucien klar, dass sie sich gezwungen fühlen würde, ihre Freiheit aufzugeben, wenn sie zugab, ihn zu lieben. Darum wollte er sie nicht bitten. Jedenfalls noch nicht.
„Ich bin lange allein gewesen.“ Sie lachte auf. „Und du weißt so gut wie ich, wie das ist. Ich kann mein Leben nicht in die Hände eines anderen Menschen legen.“
„Das weiß ich“, wiederholte er.
„Ich werde … du weißt, dass ich dir nicht weh tun möchte. Ich brauche nur Zeit, um nachzudenken.“
Wenn es nach Cronus ging, dann hatte Lucien nicht mehr viel Zeit. Bald. Die Uhr tickt. Lucien würde so lange nach Hydra suchen, bis er sie fand. Wenn ihm das nicht gelang, dann würde er auch das Artefakt nicht finden. Er würde sein Schicksal nicht ändern können, sah er jetzt ein. Um ehrlich zu sein, hatte er sich schon damit abgefunden. Weder konnte er Anya etwas zuleide tun noch konnte er zulassen, dass Cronus den Schlüssel bekam. Wenn er sterben musste, um sie zu retten, dann würde er sterben.
Er liebte Anya so sehr, dass er bereit war, für sie sein Leben zu opfern. Ohne Wenn und Aber.
Obwohl er sich nicht für Mariah hatte opfern brauchen, hätte er es bereitwillig getan. Seit vielen Jahrhunderten hatte er darüber gebrütet. Bis jetzt, denn nun war er froh, dass er nicht um Mariahs willen hatte sterben müssen und am Leben war. Für Anya würde er leben und sterben. Nie mehr würde ihm leid tun, was in der
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