Die Herren der Unterwelt 02 - Schwarzer Kuss
weiter dazu sagte, knirschte Lucien mit den Zähnen und hakte nach: „Was hat sie denn irgendwie schon’ gekauft?“
„W…warum wollen Sie das wissen? Ich meine, sind Sie Polizist? Oder ihr Exmann?“
Lucien presste die Zunge gegen den Gaumen. Ganz ruhig. Ruhig bleiben. Er sah dem immer blasser werdenden Sterblichen ins Gesicht, suchte seinen Blick und starrte ihm in die Augen. Ein Duft von Rosen ging nun von ihm aus, der sich um den Jungen herum verteilte.
Dennis schluckte noch einmal schwer, aber seine Augen begannen zu strahlen.
„Ich habe dich etwas gefragt“, wiederholte Lucien leise, „und du wirst mir jetzt antworten. Was hat die Frau gekauft?“
„Drei Erdbeer-Sahne-Lollis.“ Seine Antwort kam wie in Trance. „Aber sie hat sie nicht bezahlt. Sie hat sie sich genommen und ist einfach mit ihnen rausgegangen. Ich habe nicht versucht, sie aufzuhalten oder was Ähnliches, das schwöre ich.“
„Zeig mir die Lollis.“
Während die Leute hinter ihm anfingen zu grummeln, weil sich ihr Einkauf verzögerte – bis Lucien ihnen einen schneidenden Blick zuwarf und sie lieber schnell den Mund hielten –kam Dennis hinter der Kasse hervor und führte Lucien zu dem Gang, in dem die Süßigkeiten in den Regalen lagen. Der Verkäufer deutete auf eine halb leere Schachtel mit Lutschern.
Als Lucien zwei einpackte, musste er sich zusammenreißen, nicht an ihnen zu schnuppern, dann zog er einige Scheine aus der Tasche. Es war die falsche Währung, aber immer noch besser als gar nichts. „Wie viel bin ich dir schuldig?“
Abwehrend hob Dennis die Hände. „Ich gebe einen aus.“
Lucien wollte dem Jungen das Geld aufdrängen, hatte aber gleichzeitig Angst, noch mehr Aufsehen zu erregen. Schließlich stopfte er die Scheine zurück in die Tasche. „Geh wieder an deine Kasse“, sagte er und sah sich um, weil er sich einen Überblick verschaffen wollte. Auf der spirituellen Ebene waren Abermillionen von Farben vorhanden. Sie in eine Ordnung zu bringen, war anstrengend, aber möglich. Endlich gelang es ihm, Anyas einmalige Farbe zu finden.
Ihm wurde heiß.
Alles an ihr zog ihn an, sogar die minimale Spur, die sie hinterlassen hatte. Er konnte nicht widerstehen. Und wenn er nicht vorsichtig war, konnte er in eine Falle tappen. Diese Frau war einfach so … bezaubernd. Ein wunderschönes Rätsel.
Lucien verließ den kleinen Laden der Tankstelle und kehrte in die kleine Nebenstraße zurück, in der er sich unbemerkt wieder in Luft auflöste und in das Reich der Geister aufstieg. Er folgte ihr zu Anyas nächstem Aufenthaltsort.
Er fand sie in einem Park. Endlich.
Als er sie sah, spürte er einen scharfen Schmerz in der Brust, und plötzlich fiel es ihm schwer, Luft zu holen. In diesem Augenblick wirkte sie ruhig und gelassen, nicht wie die Verführerin, die sie im Club gewesen war. Sie saß auf einer Schaukel, und das Sonnenlicht tauchte sie in ein goldenes Licht, während sie vor-und zurückschwang.
Sie schien in Gedanken versunken, die eine Schläfe gegen die Kette der Schaukel gelehnt. Ihr seidiges, silbriges Haar fiel ihr bis auf die Arme, wehte im Rhythmus ihrer Bewegung und bedeckte ab und zu ihr elfenhaftes Gesicht.
Der Wunsch, sie in seine Arme zu schließen und festzuhalten, war geradezu überwältigend stark.
Hatte eine Frau jemals so verletzlich ausgesehen? Oder so einsam? Sie leckte an einem der Lollis, die sie gestohlen hatte. Die rosafarbene Spitze ihrer Zunge schnellte zwischen ihren Lippen hervor und umkreiste den pastellfarbenen Lutscher. Sofort spürte er, wie er hart wurde. Nein. Jetzt nicht. Aber sein Verlangen wollte einfach nicht verschwinden.
Wie lange es auch dauern mag, oder was auch immer du tun musst, du wirst sie mir bringen, hatte Cronus gesagt. Oder alle, die du liebst, werden leiden.
Wut stieg in ihm auf, aber es gelang ihm schnell, sie zu unterdrücken. Für Wut hatte er keinen Platz in seinem Herzen. Er war der Tod. Im Moment hatte er keine andere Aufgabe zu erfüllen. Gefühle würden ihn nur behindern, das wusste er nur zu gut.
Wie lange es auch dauern mag, hallten Cronus’ Worte in seinem Kopf nach.
Einen Moment lang, einen einzigen Moment lang überlegte Lucien, wie es wäre, wenn er für seine Aufgabe einfach ewig brauchen würde. Eine Ewigkeit. Du weißt, was passiert, wenn du zögerst. Der Mensch, der sterben muss, wird dann nur länger unnötigen Qualen ausgesetzt. Tue es! Oder auch deine Freunde werden für dein Zögern büßen.
Entschlossen nahm Lucien wieder
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