Die Herren der Unterwelt 02 - Schwarzer Kuss
hielt nicht eher an, bis er den Platz erreicht hatte, wo er Anya geküsst – und verloren – hatte.
In seinen Gedanken konnte er sie noch stöhnen hören. Fast war es ihm, als spüre er noch, wie sie ihre Fingernägel in seinen Rücken krallte und wie ihre Hüfte seine Männlichkeit reizte. Er war immer noch hart, trotz allem, was passiert war.
Der Drang quälte ihn weiter, doch er schob ihn beiseite und schloss sein rechtes Auge. Mit dem blauen, seinem spirituellen Auge schaute er sich um. Er sah einen Regenbogen aus schimmernden ätherischen Farben. Anhand dieser Farben konnte er erkennen, was an dem Ort passiert war und welche Gefühle die Wesen gehabt hatten, die dort gewesen waren. Manchmal konnte er sogar bis in alle Einzelheiten erkennen, was geschehen war.
Lucien hatte viel Erfahrung darin, die spirituelle Welt zu erkunden, daher fiel es ihm leicht, sich durch die Masse der Empfindungen zu arbeiten und herauszuschälen, was zuletzt geschehen war. Da, an einem Schild, das an einem Neubau hing und frisch gestrichen war, erkannte er etwas: leuchtende Sterne der Leidenschaft.
Der Kuss.
In diesem spirituellen Reich erschien Anyas Leidenschaft als ein strahlendes Pink. Sie war echt, nicht vorgetäuscht, wie Lucien gedacht hatte. Diese pinkfarbene Spur leuchtete mit solcher Kraft, wie er es selten gesehen hatte. Sie begehrte ihn also wirklich? Das schien ihm nicht plausibel, aber der Beweis lag direkt vor ihm wie ein Pfad der Errettung inmitten eines Sturmes.
Sein Magen krampfte sich zusammen, und Hitze schoss ihm ins Gesicht. Er fuhr sich über die Lippen, denn er sehnte sich danach, sie zu schmecken. In seinem Herzen machte sich ein pulsierender Schmerz breit. Oh, noch einmal diese Brüste in seinen Händen spüren und ihre Knospen unter seiner Berührung steif werden lassen. Seine Finger einmal in ihre feuchte Höhle führen und hinein-und hinausgleiten lassen, zuerst langsam, dann schneller und schneller. Sie würde kommen und vielleicht sogar um mehr betteln. Er stöhnte.
Sie muss durch deine Hand sterben. Vergiss das nicht.
Als ob er das könnte, dachte er und ballte die Fäuste. „Wo bist du hingegangen?“, murmelte er und folgte den Blitzen, wo sie gestanden und ihn geschubst hatte. Er sah es blau aufleuchten. Traurigkeit. Sie war traurig gewesen? Weil er behauptet hatte, dass sie unwichtig sei? Als er das erkannte, schämte er sich.
Er sah sich die Farben genauer an. Mit dem Blau verwoben war ein helles pulsierendes Rot. Zorn. Wahrscheinlich hatte er ihre Gefühle verletzt, und daher war sie wütend auf ihn. Sein schlechtes Gewissen wurde stärker. Er hatte geglaubt, sie habe mit ihm gespielt; niemals hatte er vermutet, sie könne ihn wirklich begehren. Lucien hatte nicht gedacht, dass es ihr wichtig war, ob er sie wollte oder nicht.
Dass sie ihn tatsächlich verehrte, erstaunte ihn sehr.
Als er die Farben weiter erforschte, fand er eine winzige Spur Weiß. Angst. Etwas hatte ihr Angst gemacht. Aber was? Hatte sie gespürt, dass Cronus in der Nähe gewesen war? Hatte sie ihn gesehen? Wusste sie, dass er bereits ihr Todesurteil gesprochen hatte?
Lucien wollte nicht, dass sie sich fürchtete.
Mit angespannten Muskeln folgte er der schwachen weißen Spur. Während er sich bewegte, erlaubte er seinem Körper, sich mit dem Dämon des Todes zu verbinden. So wurde er zu einem Geist, einem mitternächtlichen Nebel, der sich in einer Sekunde von einem Ort zum anderen bewegen konnte.
Erstaunt stellte er fest, dass Anyas Essenz ihn zu seiner Festung führte. Um genauer zu sein, führte sie ihn zu seinem Schlafzimmer. Offensichtlich hatte sie sich dort nicht lange aufgehalten, sondern hatte den Raum nur kurz durchquert, um einen anderen Ort aufzusuchen …
Maddox’ und Ashlyns Schlafzimmer. Irritiert runzelte Lucien die Stirn. Was wollte sie da? Das Pärchen lag ineinander verschlugen im Bett. Beide hatten rosige Wangen, die von einem erneuten sexuellen Marathon herrührten, da war er sich sicher.
Er unterdrückte einen kurzen Anfall von Neid, bevor er Anyas Spur weiterverfolgte und …
… sich in einer Wohnung wiederfand, die er nicht kannte. Durch die schweren schwarzen Vorhänge drang dünnes Mondlicht herein. Trotzdem war es dunkel. Befand er sich noch in Budapest? Das Zimmer war spärlich möbliert. An einer Wand stand eine braune, abgewetzte Couch und ein Korbstuhl. Es gab weder einen Fernseher noch einen Computer oder irgendein anderes modernes technisches Gerät, an das sich Lucien in den
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