Die Herren der Unterwelt 02 - Schwarzer Kuss
spirituelles Selbst zu dem ersten Jäger gleiten. Er streckte die Hand aus und fuhr in die Brust des Jägers. Als er einen eiskalten Block spürte, griff er zu.
Der Geist des Toten begriff, dass er gefangen war und begann, sich zu wehren, als Lucien ihn aus dem leblosen Körper zog. Als ihre Blicke sich trafen, glomm in Luciens Augen ein blau-braunes Feuer.
„Nein“, schrie der Geist. „Nein, ich will nicht.“
Die Sünden des Jägers liefen wie ein Film durch das Bewusstsein des Dämons und gleichzeitig durch Luciens. Wie der Mann in seinem Leben bewiesen hatte, glaubte er, er stünde über dem Gesetz und habe das Recht, jeden umzubringen, der ihm auf den Weg zu einer besseren Welt im Weg stand, egal ob Männer, Frauen oder Kinder.
Mistkerl.
Während er den Geist fest im Griff hielt, teleportierte Lucien sich an die Pforten der Hölle. Es war nicht der Hades. Diese düstere Unterwelt war für jene reserviert, die weder die Qualen der Hölle noch den Glanz des Himmelreichs verdienten. Dieser Mann aber hatte die Flammen verdient. Obwohl die Tore zur Feuergrube geschlossen waren, spürte Lucien die unermessliche Hitze. Er konnte die Symphonie aus den Schreien der gefolterten Seelen hören und das dämonische Lachen. Die Rufe. Der schlimme Schwefelgestank, der über der ganzen Ebene lag, sodass einem schlecht wurde.
Tausende von Jahren hatte er jede Nacht Maddox herbringen müssen. Er hasste sich dafür und hatte gewünscht, etwas tun zu können, um seinem Freund diese Qualen zu ersparen. Aber ihm war bewusst gewesen, dass es nichts gab, was er tun konnte. Bis Anya gekommen war. Wie sie ihn immer gern erinnerte, hatte sie dem bösen Spiel ein Ende gemacht.
„Bitte!“, flehte der Geist. „Es tut mir leid, dass …“
„Spar dir dein Flehen.“ Im Laufe der Jahrhunderte hatte er schon alle Entschuldigungen gehört, die man sich nur vorstellen konnte. Nichts brachte ihn von seiner Aufgabe ab.
Was werde ich tun, wenn Anya mich anfleht, sie zu verschonen? Was dann?
Plötzlich wurde Lucien übel. Was auch immer sie verbrochen hatte, er zweifelte daran, dass sie es verdient hatte, dort brennen zu müssen. Er stellte sich vor, wie das Fleisch ihres üppigen Körpers von den Knochen schmolz, nur um sich wieder zu verfestigen und wiederum zu schmelzen.
Vielleicht durfte sie aber in den Himmel, wenn sie starb. Dafür konnte er zumindest beten.
„Bitte!“ Der Geist des Jägers schrie, als sich zwei dicke Bohlen über der Feuergrube öffneten. Orangefarbene und goldene Flammen stießen nach oben, sie zischten und krachten, während sich der strenge Geruch von Schwefel mit dem Gestank von verbranntem Haar und Fleisch mischte.
Der Geist wehrte sich stärker, um freizukommen.
Als Lucien die dämonischen schuppigen Arme sah, die sich durch die Flammen nach oben streckten, und das Knurren zu eifrigem Kichern wurde, warf er den Geist hinein. Ein ohrenbetäubender Schmerzensschrei ertönte, dann schoben sich die Bohlen wieder zusammen.
Lucien wusste nicht, was die Dämonen dort unten hielt, aber irgendetwas musste es sein. Doch für den Dämon, den er nun in seinem Körper beherbergte, galt das nicht. Und das war der Büchse der Pandora zu verdanken.
Wenn du die Büchse nicht geöffnet hättest, wärst du vielleicht nie Anya begegnet. Wahrschein wäre das auch besser gewesen. Auf der anderen Seite fühlte es sich auch richtig an, dass er sie getroffen hatte. Doch dann hätte er nie den Befehl bekommen, sie zu töten.
Jeden einzelnen der Jäger brachte er in die Hölle, und als er mit ihnen fertig war, öffnete er die Augen, um sich in der körperlichen Welt wieder zurechtzufinden. Um ihn herum waren die Mauern der Höhle dunkel und kahl. Es herrschte Ruhe, aber Lucien war sich nicht sicher, ob die Stille besser war als die Schreie der Unterwelt. Wieder musste er an Anya denken. Nur noch mit ihr wollte er sich beschäftigen.
Er war von ihr besessen.
Doch sie war fort. Er war enttäuscht.
In seiner Abwesenheit hatten sich seine Männer um die unschuldigen Gefangenen gekümmert. Oder war das Anya gewesen, bevor sie verschwunden war? Wo war sie hin?
„Eins verstehe ich nicht.“ Paris sprach mit einem der Gefangenen. „Worum ging es?“
„Um Artefakte.“ Die Lippen des alten Mannes waren geschwollen. „Von unermesslichem Wert, göttlich, mächtig. Jedes Objekt wird seinen Besitzer einen Schritt näher zur Büchse der Pandora bringen und ihm helfen, den Schatz endlich zu finden.“
Die Büchse der Pandora.
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