Die Herren der Unterwelt 03 - Schwarze Lust
sie keinen so gut ausgestatteten Raum zum Malen. Sie hatte es geschafft, vom Porträtzeichnen zu leben, aber große Sprünge konnte sie sich damit nicht erlauben.
Wie in Trance ging sie zu dem Zeichentisch, wog die einzelnen Pinsel in der Hand und befühlte ihre Borsten und Haare. Reyes wollte sehen, wovon sie träumte: all die Engel und Dämonen, die Götter und Göttinnen. Und plötzlich war sie bereit, ihm das zu liefern.
Aber als sie sich die vielen Öl-und Acrylfarben anguckte, wusste sie, dass nicht ihre Träume im Mittelpunkt ihrer Bilder stehen würden, sondern er.
Reyes bereitete eine weitere Mahlzeit für Danika. Zum Glück hatte Paris vor seiner Abreise nach Rom noch eingekauft, sodass es reichlich Auswahl gab.
Er trug das Tablett mit frischem Fisch und Salat zu seinem Zimmer und bekam einen Schreck, als er Danika dort nicht sofort fand. Doch nach einem kurzen Blick durch den Raum sah er sie im Atelier, wo sie mit einem Lächeln im Gesicht an einer Leinwand skizzierte. Sie war so vertieft, dass sie ihn nicht hörte, ja, sie schaute nicht einmal auf, als er sie rief.
Ihr Blick war glasig, fast so als wäre sie in Trance. Ihr Handgelenk fuhr mit eleganten Schwüngen über die Leinwand, ihr ganzer Körper bewegte sich anmutig hin und her. Im Nu schmerzte seine Brust, schwoll sein Geschlecht an. Schmerz donnerte von innen gegen seinen Schädel, um zu Danika zu gelangen. Lass das!
Da er sie nicht stören wollte, zog er sich leise zurück. Mit kontrollierter Atmung versuchte er seinen rasenden Puls unter Kontrolle zu kriegen. Ihren wunderschönen Anblick würde er damit allerdings nicht so schnell aus dem Gedächtnis bekommen, da war er sicher: die hastig zu einem Pferdeschwanz zusammengebundenen Haare; die losen Haarsträhnen, die sich aus dem Gummi befreit hatten; die schwarzen Farbkleckse auf den Wangen; und diese Lippen, die glänzten und gerötet waren, weil sie so heftig auf ihnen herumgekaut hatte.
Als Reyes den Freizeitsalon erreichte, wurde er bereits von unkontrollierbaren Zuckungen geschüttelt, und sein Schwanz war hart und pulsierte. Ohne es zu merken, hielt er bereits zwei Messer fest umklammert. Süchtig nach Schmerz ließ er sich auf das dunkelrote Sofa fallen. Er allein war der Grund, weshalb sich seine Freunde weigerten, andersfarbige Polstermöbel zu kaufen – was ihm ziemlich peinlich war.
Zumindest verspürte er nicht wieder das Bedürfnis, vom Dach der Festung zu springen.
„Was muss man denn tun, damit hier ein bisschen was los ist?“ Reyes’ Kopf schnellte herum beim Klang dieser unbekannten Stimme. Eine Sekunde später sauste bereits einer seiner Dolche durch die Luft.
Ein unbekannter Krieger faulenzte mit ausgestreckten Beinen in dem plüschroten Fernsehsessel, das Inbild der Entspanntheit. Er fing Reyes’ Dolch ohne mit der Wimper zu zucken auf und besah sich sorgfältig den Griff. „Gute Arbeit. Selbst gemacht?“
Langsam dämmerte es Reyes. „William.“ Anyas Freund. Nicht viele Leute schafften es den Berg hinauf in die Festung, ohne Torins Fallen und Alarmsignale auszulösen. Aber Torin hatte sie für diesen Mann hier ausgeschaltet, und Anya hatte jeden in der Burg gewarnt, die Finger von William zu lassen oder andernfalls die Konsequenzen zu tragen.
„Yep, ich bin’s. Ich weiß, ich weiß: Du fühlst dich geehrt, dass ich hier bin, würdest mir am liebsten Rosenblütenblätter vor die Füße streuen, bla, bla, bla. Aber bloß keine Umstände. Behandle mich einfach wie einen ganz normalen Typen.“
Reyes rollte mit den Augen. Anya hatte versäumt zu erwähnen, dass ihr unsterblicher Freund ein arrogantes Arschloch war. „Ja, ich habe den Dolch selbst gemacht. Warum bist du hier?“
William runzelte die Stirn und fuhr sich mit seiner kräftigen Hand durch das nachtschwarze Haar. „Ich langweile mich, mein Freund, ich langweile mich. Alle sind abgehauen, niemand hat eine Willkommensparty oder sonst irgendwas für mich vorbereitet. Also hab ich beschlossen, ein bisschen fernzuschauen, aber ihr habt nur Pornos, und da ich seit einigen Wochen keine Frau mehr hatte, machen die mich rasend vor Eifersucht.“
„Die Filme gehören Paris“, sagte Reyes.
Ein Lachen. Dann ein Kopfschütteln. Dann sagte William: „Sag nichts mehr, ich hab den Typen kennengelernt.“
„Ich meinte nicht, warum du hier, in diesem Zimmer, bist. Warum bist du in Budapest? Warum bist du in der Burg?“
William zuckte mit seinen breiten Schultern. „Die Antwort bleibt die gleiche.
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