Die Herren der Unterwelt 03 - Schwarze Lust
Anblick des Kriegers vor Augen. Wo war er? Was machte er? In ihrem Innern hörte sie sich selbst schluchzen. Tränen flossen, blieben jedoch nicht im Innern ihres Geistes, sondern liefen ihr über den ganzen Körper, wie kalter Regen, der ihre Haut langsam gefrieren ließ.
Du kannst ihn nicht haben. Er gehört in die Unterwelt, und du gehörst mir.
Nein!
Es bringt überhaupt nichts, mit mir zu streiten.
Dann nimm bitte dies zur Kenntnis: Ich gehöre Reyes, und er gehört mir. Solange ich von ihm getrennt bin, erhältst du keine einzige Antwort von mir.
Sie spürte, wie der Gott mit wütenden Schritten auf sie zukam.
„Kronos!“, rief Reyes vom Dach der Festung aus. „Kronos, zeigt Euch mir!“
Der Wind peitschte erbarmungslos, als würde er ihn zermalmen wollen. Früher hätte er sich darüber gefreut, hätte den Schmerz genossen. Doch Danika hatte ihn verwandelt. Zum Guten. Sie hatte ihm einen Lebenssinn gegeben.
„Kronos!“
„Ich bin hier, Schmerz.“
Überrascht drehte Reyes sich um. Der König der Götter stand auf der anderen Seite des Daches, sein weißes Gewand flatterte wild um seine Knöchel. Er wirkte genauso fröstelnd und zerbrechlich wie ein Mensch, und doch strahlte er eine ungeheure Macht und Kraft aus. Macht und Kraft, die der Gott niemals würde verbergen können.
„Wo ist sie?“
„In Sicherheit“, war alles, was der Gott sagte, wobei er seinen Kopf neigte.
Diese zwei Worte beruhigten Reyes mehr, als irgendetwas sonst ihn hätte beruhigen können. Sie war in Sicherheit. Was bedeutete, dass sie lebte. Und was ebenfalls bedeutete, dass sie zu ihm zurückkehren konnte. „Zeigt sie mir. Bitte. Ich flehe Euch an.“
Jeder Muskel seines Körpers war zum Zerreißen gespannt, während er auf eine Antwort wartete. Schließlich nickte Kronos, wedelte mit der Hand in der Luft, und ein verschwommenes Bild von Danika wurde allmählich schärfer. Sie lag genau so da, wie sie selbst sich vor ihrem Verschwinden gesehen und beschrieben hatte: auf einer marmornen Empore, getaucht in goldenes Licht, von Kopf bis Fuß in ein weißes Gewand gehüllt.
Sie war eine schlafende Schönheit.
„Ist sie … ist sie verletzt?“
„Nicht im Geringsten. Ich habe mich entschieden, sie zu behalten, und deshalb habe ich sie geheilt.“
„Danke.“
„Das habe ich nicht für dich getan.“
Egal. Er hatte es getan, und das reichte Reyes schon, um ihm auf ewig dankbar zu sein. „Ich möchte sie zurückhaben“, brachte er schließlich hervor. Dann streckte er einen Arm aus, um mit seiner Fingerspitze über Danikas weiche rote Lippen zu streichen.
Wieder wedelte Kronos mit der Hand, und die Vision verschwand.
Reyes spürte, wie sein Dämon aufheulte. „Bitte. Ich will sie haben“, wiederholte er.
„Und sie will dich.“ Kronos kniff seine Augen zusammen und ging auf Reyes zu. Nein, er ging nicht. Er schwebte. Seine Füße berührten zu keiner Zeit die mit Kies bestreuten Holzplanken. „Aber jetzt, wo ich sie habe, werde ich sie auch benutzen. Meine Entscheidung, sie umbringen zu lassen, war … überstürzt.“
„Warum braucht Ihr sie?“
„Meine Gründe gehen nur mich etwas an. Alles, was du zu wissen brauchst, ist, dass du sie nur unnötig ablenken würdest.“
„Das würde ich nicht. Ich schwör’s.“
„Du würdest es gar nicht verhindern können.“
„Ich liebe sie.“
„Ja, ich weiß, aber das tut für mich nichts zur Sache“, sagte der Gott schonungslos. Inzwischen standen sie so dicht voreinander, dass sich ihre Nasen hätten berühren können.
In einem einzigen Atemzug inhalierte Reyes den Duft nach Sonne, Mond und Sternen. Er hasste diesen Geruch.
„Die ganze Schar der Dämonen ist hinter ihr her und eure menschlichen Feinde ebenfalls. Selbst deine Freunde versuchen, sie für ihre eigenen Ziele zu benutzen. Du kannst nicht an jeder Front gleichzeitig sein, um sie zu beschützen.“
„Doch, das kann ich. Ich würde mein Leben für sie geben. Ich liebe sie. Ich werde nicht zulassen, dass ihr irgendetwas geschieht.“
Kronos hob eine Augenbraue: „Das hast du ja schon einmal sehr schön unter Beweis gestellt: als du zusahst, wie Zorn sie erdolchte.“
Reyes wurde rot vor Scham und Schuldgefühlen. „Jedes Mal wenn ich an die Schmerzen denke, die sie erlitten hat, bringt es mich fast um. Ich werde nicht zulassen, dass so etwas noch einmal geschieht.“ Er ballte die Fäuste und stemmte sie in die Hüften. „Ich hab heute etwas gesehen, auf einem von Danikas frühen
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