Die Herren der Unterwelt 04 - Schwarzes Flüstern
Lippen. Er war leise und irgendwie erotisch. Auf einmal fühlte er sich auf seltsame Art beschützerisch und hielt sie noch fester.
Die Herren dürfen sie nicht nackt sehen? Geschenkt. Er wäre lieber gestorben, als dass er anderen Männern auch nur einen kurzen Blick auf ihre Schönheit erlaubt hätte.
Ihre Schwestern dürfen sie nicht so sehen? Auch geschenkt. Sie würden bloß Fragen stellen, auf die er nicht vorbereitet war. Mehr noch: Sie neigten zu überempfindlichen Reaktionen, wenn es darum ging, dass Gwen ein Nickerchen machte. Warum nur? Das ergab nach wie vor keinen Sinn für ihn.
Noch ein Laut, diesmal noch leiser, fast gehaucht. Sein Magen zog sich vor Verlangen zusammen, weil sie dieses Geräusch auch von sich gegeben hatte, als sie ihn geritten hatte. Die Sonne streichelte sie, unterstrich den Glanz ihrer Haut, ihre rosigen Brustwarzen. Ihre Hände lagen gefaltet auf ihrem Bauch, ihr Körper war entspannt, ihr Kopf lag vertrauensvoll an seiner Schulter. Rotblonde Locken fielen über seinen Arm, seinen Bauch, und es fühlte sich an, als wäre er in Seide gehüllt.
Sollte er ihr etwas anziehen? Nein, dachte er. Er wollte sie nicht hin und her drehen und am Ende noch versehentlich wecken. Endlich ruhte sie sich mal aus. Endlich schlief sie. Und alles, was ich tun musste, war, bis zur Besinnungslosigkeit mit ihr Sex zu haben, dachte er. Dann grinste er. Wenn es sein musste, würde er das jeden Abend tun. Schließlich brauchte ein Mädchen seinen Schlaf. Und (hüstel, hüstel) er war es ja gewohnt, Opfer zu bringen.
Keine Sekunde lang dachte er darüber nach, sich selbst anzuziehen. Dann hätte er sie ja auf den Boden legen müssen. Und nur um seine Blöße zu bedecken, ging er doch nicht das Risiko ein, dass sich ein Zweig in ihre Haut bohrte oder ein Käfer auf ihren Körper krabbelte.
Sabin küsste sie auf die Schläfe – er konnte nicht anders – und ging los. Sorgfältig darauf bedacht, sich im Schatten zu halten, schlich er sich von hinten an die Burg heran, wobei er sämtlichen Kameras, Fallgruben und Stolperdrähten aus dem Weg ging, die er und die anderen Krieger installiert hatten, um die Jäger fernzuhalten.
Was eben zwischen ihm und Gwen geschehen war – so etwas hatte er noch nie erlebt. Nicht mal mit Darla, die er aufrichtig geliebt hatte.
Und im Gegensatz zu Darla war Gwen vielleicht sogar stark genug, um auf lange Sicht mit seinem Dämon fertig zu werden. Das war eine verblüffende und willkommene Offenbarung gewesen.
Denkst du allen Ernstes, du könntest sie halten? Wie lange wird sie dich wohl lieben, falls sie überhaupt so dumm ist, dich zu lieben? Du könntest sie verraten. Und du musst immer wieder weg, um zu kämpfen. Schlimmer noch: Du hast vor, neben ihren Schwestern zu kämpfen. Was, wenn sie getötet werden? Dann würde Gwen dir die Schuld daran geben, und zwar zu Recht.
Die Zweifel flössen nicht einfach durch seinen Körper. Sie schrien, trommelten gegen seine Schläfen, prügelten auf ihn ein. Der scharfe Schmerz ließ ihn zusammenzucken. Jetzt, da Gwen schlief und die Harpyie genauso, hatte sich Sabins Dämon aus seinem Versteck gewagt. Er war wütend und gierte nach Nahrung.
Und welche Nahrung war besser als die geheimen Ängste, über deren Existenz sich Sabin erst in diesem Momentbewusst wurde? Einmal ins Bewusstsein geholt, gab es keine Möglichkeit mehr, sie auszublenden; sie verschlangen ihn fast in einem Stück.
Wollte er, dass Gwen ihn liebte?
Dass diese bernsteinfarbenen Augen ihn gütig ansahen – heute, morgen, für immer? Dass dieser fantastische Körper jede Nacht in seinem Bett lag? Dass er ihr perlendes Gelächter hörte? Dass er sie beschützte? Dass er in ihr ihre eigentliche Stärke weckte?
Ja, er wollte, dass sie ihn liebte. Wie er gerade herausgefunden hatte, konnte sie seinen Dämon besiegen. Verdammt, sie hatte der Bestie solche Angst eingejagt, dass sie sich ihr unterworfen hatte.
Ihm wurde klar, dass ein Teil von ihm sie seit dem Moment liebte, in dem er sie zum ersten Mal gesehen hatte. Als sie hilflos eingesperrt gewesen war, hatte sein Instinkt ihm eindeutig gesagt, dass er sie retten musste. Dann, als sie hart darum gekämpft hatte, ihre Harpyie unter Kontrolle zu halten und die Regeln ihres Volkes zu befolgen, war er von ihr fasziniert gewesen. Doch er hatte sie nie richtig verstanden und sie fälschlicherweise für schwach gehalten. Jetzt sah er sie als das, was sie in Wahrheit war: stärker als ihre Schwestern, stärker als
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