Die Herren der Unterwelt 04 - Schwarzes Flüstern
Stolz.
Ihr Magen bebte, und die Luft in ihren Lungen wurde wärmer. Wenn er sie so ansah, konnte sie fast glauben, dass er sie aufrichtig liebte und alles für sie tun würde. Konzentrier dich auf dein aktuelles Vorhaben. „Was ist mit den Gefangenen?“
„Sind immer noch eingesperrt.“ Paris sah sie an, stellte den Queue auf dem Boden ab und lehnte sich dagegen. Er war blasser als gewöhnlich, wirkte angestrengt, und um seine Augen verliefen Falten. „Da Aeron und ich ja wahre Meister im Multitasking sind, haben wir uns um sie … gekümmert.“
„Mit meiner Hilfe“, meldete sich Legion mit piepsiger Stimme zu Wort.
Gekümmert. Auch bekannt als gefoltert. Hatte Sabin sie verhört? Gwen wusste, dass er Gefallen daran fand. Allerdings war er seit der letzten Schlacht kaum von ihrer Seite gewichen. „Die Kinder …“
„Wie ich bereits erwähnt habe: Sie sind von den anderen Jägern isoliert und in hübschere Zimmer gebracht worden. Sie haben Angst und ihre Kräfte – wie auch immer die aussehen mögen – nicht eingesetzt. Bisher. Wir wissen also nicht genau, womit wir es zu tun haben. Aber das werden wir aus den Erwachsenen schon noch rausholen, keine Sorge“, meinte Sabin.
Paris nickte mit grimmiger Entschlossenheit. „Das übernehme ich, sobald wir zurück sind. Ich werde euch nämlich begleiten.“
Sabin und Aeron sahen einander vielsagend an.
„Du bleibst hier“, korrigierte Sabin ihn. „Genau wie der Rest von euch. Wir brauchen hier so viele Krieger wie möglich. Wir wissen nicht, wie viele Jäger hiergeblieben sind.“
„Außerdem hat Torin Galen in der Stadt gesehen“, fügte Cameo hinzu. „Wir haben ihn noch nicht ausfindig machen können, was womöglich bedeutet, dass er sich irgendwo versteckt hält und plant, erneut zuzuschlagen.“
Sabin stellte sich neben Gwen und legte ihr seinen starken Arm um die Taille. Sie wehrte sich nicht. Obwohl sie vom Verstand her noch nicht sicher war, wusste ihr Herz genau, dass sie zu ihm gehörte. Sein Zitronenduft stieg ihr in die Nase. Er war längst zu einer Droge für sie geworden. „Aber, Paris, deine neue … Lieblingsbeschäftigung bringt alle in Gefahr. Du bleibst hier und erholst dich erst mal ordentlich.“
Paris öffnete den Mund, um zu protestieren.
„Torin kann die Reisevorbereitungen für uns treffen“, fuhr Sabin schnell fort. Unentwegt – und vielleicht ganzunbewusst – fuhr er zärtlich mit der Hand an ihrem Arm hoch und runter.
„Ihr müsst einen Linienflug nehmen“, meinte Torin, „weil die Jungs den Jet, den wir immer chartern, drüben in den Staaten haben.“
„Was, wenn die Jäger uns entdecken? Und wie sollen wir unsere Waffen durch die Sicherheitskontrolle bringen?“ Wenn man auch nur ein Messer bei ihnen fand, würde man sie befragen – die reine Zeitverschwendung – und festnehmen.
„Ich habe da so meine Methoden.“ Sabin küsste sie auf die Schläfe. „Vertrau mir. Ich mache das schon ein ganzes Weilchen. Man wird uns nicht entdecken.“
„Bringt Reyes und die anderen sicher nach Hause.“ Danika hielt die Hände gefaltet, als spräche sie ein Gebet. „Bitte.“
„Ja, bitte“, sagte Ashlyn wie ein Echo.
„Und vergesst Anya nicht“, meinte Kaia. „Wer weiß, was sie mal wieder angestellt hat.“
„Ich werde mein Bestes tun“, versicherte Gwen ihnen, und sie meinte es auch so. Doch wäre ihr Bestes gut genug?
„Verrate mir mal, was eine Göttin mit einem Dämon will.“
Anya beäugte den Erzfeind ihres Geliebten: Galen, den Hüter des Dämons der Hoffnung. Er vereinnahmte die eine Seite ihres neuen Gefängnisses und sie die andere. Die langen weißen Flügel trug er hinter dem Rücken zusammengefaltet. Nur die oberen Bögen ragten über seinen Schultern empor. Seine Augen waren so blau wie der Himmel, und je länger sie hineinsah, desto sicherer war sie sich, aufgebauschte weiße Wolken zu sehen. Diese Augen sollten sein Gegenüber einlullen und beruhigen.
Aber Anya machte der Anblick bloß stinkwütend.
Der Geisterjunge hatte sie in dieses kleine, enge Loch „begleitet“ – das verfluchte Kind hatte ihren Körper gesteuert wie einen Roboter – und sie dann allein gelassen. Sie hatte gewartet. Und gewartet. Allein, aufgebracht. Nun wusste sie, dass die Jäger sie für ihren Anführer aufgehoben hatten, der in Buda geblieben war, bis er von dem großzügigen Beutefang hier erfahren hatte.
Mittlerweile waren Gideons Schreie durch die Flure gehallt – und mit seinen Schreien das
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