Die Herren der Unterwelt 04 - Schwarzes Flüstern
das Gespräch konzentriert. „Würde der Götterkönig dich anlügen?“
„Ja!“
„Und warum, bitte? Er will doch unsere Hilfe.“
„Keine Ahnung“, murmelte Paris mürrisch.
„Was ist das denn für ein Ding?“, fragte Gwen, die ihren Blick nicht von dem Geschöpf abwenden konnte, das sich um Aeron schlang.
Sabin, der neben ihr an der Tür stand und dessen Gegenwart sie körperlich wie eine Hitze spürte, der sie in Versuchung führte, zu vergeben und zu vergessen und sich allein auf die Zukunft zu konzentrieren, auf eine Zukunft mit ihm, lächelte. „Das ist Legion. Sie ist eine Dämonin – und eine Freundin. Aeron würde lieber sterben, als zuzulassen, dass ihr etwas geschieht, also versuch bitte nicht, sie umzubringen.“
Dieses … Ding war ein Mädchen? Egal. Du hast hier etwas zu erledigen. Mit großen Augen nahm Gwen auch den letzten Anwesenden in Augenschein. Torin lehnte an der Wand, und zwar so weit entfernt von den anderen wie möglich. In den behandschuhten Händen hielt er einen kleinen Bildschirm, auf den er seine volle Aufmerksamkeit gerichtet hatte.
Er würde sie unterstützen, das wusste Gwen. Eines hatte sie bereits gemerkt: Er stellte das Wohl seiner Freunde über sein eigenes.
„Willst du so tun, als ob wir nicht hier wären?“ Kaia streckte die Arme über den Kopf und putzte sich wie ein Kätzchen.
Ja. Nein. „Hey.“ Als sie ihren Schwestern endlich in die Augen sah, schenkte sie ihnen ein halbes Lächeln und winkte ihnen zu. Die ganze letzte Stunde hatte sie darüber nachgedacht, was sie ihnen sagen würde – wenn sie überhaupt daran interessiert waren, ihr zuzuhören. Nichts war ihr eingefallen. Eine Entschuldigung wäre unangebracht gewesen, da ihr das, was sie getan hatte, eigentlich gar nicht leidtat.
Taliyah stand auf. Ihr Gesichtsausdruck war genauso neutral wie sonst. Sabin stellte sich schützend vor Gwen.
„Also gut“, begann Taliyah und ignorierte ihn. „Da du nichts zu dem sagst, was vorgefallen ist, werden wir anfangen.“ Sie schwieg kurz, bevor sie sagte: „Ich bin stolz auf dich.“
„W-was?“, fragte Gwen mit brüchiger Stimme. Damit hatte sie nun absolut nicht gerechnet. Sie lugte hinter dem massigen Krieger hervor, und ihre älteste Schwester kam wieder in ihr Sichtfeld. Taliyah war stolz auf sie? Nichts hätte sie mehr überraschen können.
„Du hast getan, was du tun musstest.“ Taliyah ging weiter auf sie zu und versuchte, Sabin beiseite zu schieben. „Du warst im wahrsten Sinne des Wortes eine Harpyie.“
Sabin bewegte sich keinen Millimeter.
Jedem anderen wäre bei Taliyahs Blick das Blut in den Adern gefroren. „Lass mich meine Schwester umarmen.“
„Nein.“
Gwen sah, dass er die Schultern und den Rücken anspannte. „Sabin.“
„Nein“, wiederholte er. Er wusste genau, was sie wollte. „Das könnte ein Trick sein.“ Dann fügte er an Taliyah gewandt hinzu: „Du wirst ihr nicht wehtun.“
Bianka und Kaia gesellten sich zu Taliyah und bildeten einen Halbkreis um den Krieger. Sie hätten ihn angreifen können, doch zu Gwens Überraschung unterließen sie es.
„Im Ernst, lass uns unsere Schwester umarmen“, forderte Kaia ihn auf. Dass sie ihm nicht damit drohte, ihn zu verletzen – ein Wunder. „Bitte.“ Das letzte Wort brachte sie nur widerwillig über die Lippen.
„Bitte, Sabin“, sagte Gwen und legte die Hände auf seine Schulterblätter.
Er atmete tief und stoßweise ein, als versuchte er, an ihrem Duft auszumachen, ob sie es ehrlich meinten. „Keine Tricks. Sonst …“ Kaum war er zur Seite getreten, huschten sie auch schon an ihm vorbei.
Sechs Arme schlangen sich um Gwen.
„Wie gesagt, ich bin so unglaublich stolz auf dich.“
„Ich habe noch nie jemanden so leidenschaftlich kämpfen sehen.“
„Ich bin schockiert. Du hast mir ja dermaßen den Hintern versohlt!“
Gwen war vor Verblüffung wie versteinert. „Ihr seid nicht sauer?“
„Hölle, nein“, sagte Kaia. Dann machte sie einen Schritt zurück. „Na ja, im ersten Moment vielleicht schon. Aber heute Morgen, als wir uns überlegt haben, wie wir dich am besten entführen und uns an Sabin rächen können, haben wir gesehen, wie du von ihm getrunken hast. Da ist uns klar geworden, dass er jetzt deine Familie ist und wir zu weit gegangen sind. Wir wussten, dass man niemals die Familie einer Harpyie bedroht, und haben es dennoch getan.“
Okay. Wow. Ihr Blick wanderte zu Sabin, der sie mit dunklen und zugleich glühenden Augen ansah. Er
Weitere Kostenlose Bücher