Die Herren der Unterwelt 04 - Schwarzes Flüstern
Warum?
„ Ich weiß, ich weiß. All die Arbeit, und wir sind der Büchse keinen Schritt näher gekommen.“
Artefakt? Büchse?
„Sollen wir zusammenpacken?“
„Das könnten wir. Bis uns unser Auge einen weiteren Hinweis gibt, sind wir richtungslos.“
Seltsame Formulierung. Ihr Auge könne Hinweise geben? Worauf? Und wessen Auge meinten sie? Vielleicht Luciens? Ihr war aufgefallen, dass er ein blaues und ein braunes Auge hatte.
„Hoffentlich hat Galen auch noch nichts gefunden. Also, außer einem Speer, der sich in sein Herz gebohrt hat. Den zu finden, dabei würde ich ihm sogar helfen.“
Wer war Galen? Spielte es eine Rolle? Diese Krieger waren … seltsam. Die Hälfte von ihnen sprach, als wären sie direkt dem Mittelalter entsprungen. Die andere Hälfte hätte auch einer Straßengang angehören können. Trotzdem liebten sie einander, so viel stand fest. Sie kümmerten sich umeinander, lachten entweder miteinander und machten Witze, oder sie hielten sich gegenseitig den Rücken frei.
Drei Männer und die Kriegerin, Cameo, waren in Sabins Zelt geschlichen, während Sabin mit Lucien fort gewesen war. Jeder hatte ihr die gleiche Botschaft überbracht: Wenn du dem Krieger etwas antust, wirst du leiden. Sie hatten ihre Antwort nicht abgewartet, sondern waren einfach wieder hinausgestapft. Aber die Stimme der Frau … Gwen schauderte auch im Nachhinein. Sie hatte schon allein beim Zuhören gelitten.
Sie hatte so viel Zeit allein im Zelt verbracht, dass sie hätte fliehen können. Vermutlich hätte sie es versuchen sollen. Doch die endlose Wüste, die brennende Sonne und was auch immer sie sonst noch umgab, die Vorstellung hatte Gwen zurückgehalten. Und die Angst natürlich.
Auch wenn sie in den Eisbergen von Alaska aufgewachsen war, wäre sie mit dem Sand und der Sonne zurechtgekommen. Das hoffte sie jedenfalls. Es war das Unbekannte, das sie einschüchterte. Was, wenn sie auf einen bösartigen Stamm traf? Oder auf ein Rudel hungriger Tiere? Oder auf eine andere Gruppe heimtückischer Männer?
Außerdem war ihr Handeln der Auslöser für ihren unfreiwilligen Aufenthalt in diesem gläsernen Käfig gewesen, als sie ihrem damaligen Freund Tyson spontan in einen anderen Staat gefolgt war. Trotzdem. Hätten die Krieger ihr wehgetan, hätte Gwen die Flucht riskiert – was wieder nur eine Hoffnung war. Aber sie hatten sie nicht angerührt, in keiner Weise. Und sie war froh darüber. Wirklich. Dass Sabin sein Wort gehalten hatte – nicht anfassen –, war ein Geschenk des Himmels. Ehrlich.
„Alles in Ordnung?“ Der Krieger namens Strider ließ sich in den vornehmen Ledersessel neben ihr fallen. Sie saßen in einem Privatflugzeug hoch über den Wolken, und es gab mittelschwere Turbulenzen.
Überraschenderweise machte ihr das keine Angst.
Gwen unterdrückte ein bitteres Lachen. Ein Schatten konnte sie dazu bringen, sich zu verstecken, aber ein markerschütterndes Rütteln, bei dem man befürchten musste abzustürzen, entlockte ihr bloß ein Gähnen. Vielleicht weil sie selbst fliegen konnte, irgendwie jedenfalls – auch wenn sie diese Fähigkeit schon ewig nicht mehr eingesetzt hatte. Vielleicht auch weil ein Flugzeugabsturz, verglichen mit dem, was sie in dem vergangenen Jahr durchgemacht hatte, ein Spaziergang für sie wäre.
„Du bist blass“, fügte er hinzu, als sie stumm blieb. Er zog eine Packung scharfer Zimtbonbons aus der Tasche, schob sich eine Handvoll in den Mund und bot Gwen welche an. Bei dem Geruch von Zimt lief ihr das Wasser im Mund zusammen. „Du musst etwas essen.“
Zumindest versteckte sie sich nicht vor ihm. Trotzdem. Was war los mit diesen Männern, dass sie meinten, ihr ständig Junkfood unter die Nase halten zu müssen? „Nein, danke. Es geht mir gut.“ Sie hatte sich noch nicht von den Küchlein erholt.
Nicht dass sie bereute, sie gegessen zu haben. Der Geschmack des Zuckers, das volle Gefühl im Magen – es war himmlisch gewesen, zumindest ein paar kostbare Sekunden lang. Doch sie hatte ja gewusst, dass sie nichts essen durfte, was ihr jemand schenkte. Wie alle anderen Harpyien war sie von den Göttern mit einem Fluch belegt worden, der bewirkte, dass sie nur Nahrung zu sich nehmen konnte, die sie entweder gestohlen oder sich verdient hatte. Das war die Buße für Verbrechen, die ihre Vorfahren begangen hatten. Absolut unfair also. Aber sie konnte nichts dagegen tun.
Außer verhungern natürlich.
Sie hatte genauso große Angst vor den Konsequenzen, die ein Diebstahl
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