Die Herren der Unterwelt 04 - Schwarzes Flüstern
jedem Instinkt, den sie und die anderen Vertreter ihrer Art hatten. Deshalb hatte sie ihre Ängste schließlich überwunden und sich auf eine Beziehung mit Tyson eingelassen.
Soweit sie wusste, war er ihr treu gewesen. Der Sex war gut gewesen, wenn auch etwas fade. Denn während sie sich erfolgreich eingeredet hatte, einer Beziehung gewachsen zu sein, hatte sie gewusst, dass es katastrophale Folgen hätte, wenn sie sich in sexuellen Genüssen verlor. Wenigstens hatte er sie geliebt, und sie hatte geglaubt, für ihn dasselbe zu empfinden. Doch jetzt, nach all den Monaten der Trennung, wurde ihr klar, dass sie nur geliebt hatte, für was er stand: Normalität. Und dass sie sich so ähnlich waren. Er arbeitete für die Bundessteuerbehörde und wurde von seinen Mitmenschengehasst. Sie war eine Harpyie, die die Konfrontation hasste und von ihren Artverwandten bemitleidet wurde. Doch das allein reichte nicht aus, um zusammenzubleiben. Nicht für immer.
Gwen hatte das Gefühl, dass sie bei Sabin irgendwie loslassen konnte. Er war weder in der Höhle noch im Flugzeug vor ihrer Harpyie zurückgewichen. Und stark wie er war, könnte er mehr aushalten als ein Mensch. Doch obwohl er sowohl mutig als auch unsterblich war, bezweifelte sie, dass er alles ertragen könnte, mit dem sie ihn konfrontieren würde. Niemand könnte das.
Trotzdem ertappte sie sich bei dem Gedanken daran, wie er wohl im Bett wäre. Nicht fade, so viel konnte sie sich denken. Er wäre skrupellos und würde dasselbe von seiner Geliebten verlangen. Aber wie viel würde er überhaupt annehmen können?
„Du bist also nicht verheiratet, aber bist du im Augenblick denn auch Single?“, fragte sie mit krächzender Stimme weiter. Gwen konnte sich nicht vorstellen, dass es jemanden gab, der so verrückt war, sich mit ihm einzulassen. Ja, er sah gut aus. Ja, allein seine Küsse öffneten einer Frau das Tor zum Himmel. Doch vorübergehendes Vergnügen mit ihm würde nur mit Herzschmerz enden. Und sie war sicher nicht die Einzige, die das erkannt hatte.
„Was soll die Fragerei?“
„Ich will nur unangenehmes Schweigen vermeiden.“ Eine Lüge. Anscheinend log sie in letzter Zeit nur noch. Sie war – trotz allem – immer noch neugierig auf diesen Krieger, der sie gerettet hatte.
„Die Stille ist nicht unangenehm“, murmelte er und hatte den Kopf fast in der Tasche.
„Bist du jetzt Single oder nicht?“
„Du hast mir besser gefallen, als du vor allem Angst hattest“, erwiderte er.
Sie musste feststellen, dass sie in seiner Gegenwart tatsächlich weniger schüchtern als sonst war. Die Liebe zu sehen, die seine Freunde für ihre Frauen empfanden, hatte sie irgendwie ermutigt. Zumindest für den Augenblick. „Und? Single?“
Er kapitulierte seufzend. „Ja, ich bin Single.“
„Hab ich mir gedacht“, murmelte sie. Seine letzte Freundin hatte ihm bestimmt den Laufpass gegeben. „Na ja, aber das heißt trotzdem nicht, dass wir uns ein Bett teilen. Du wirst dir einen anderen Schlafplatz suchen müssen, weil ich nämlich das Bett nehme.“ Mutige Worte. Hoffentlich durchschaute er ihren Bluff nicht.
„Keine Sorge. Ich schlafe auf dem Boden.“ Er warf einige zerknitterte Hemden in den Wäschesack in seinem Schrank. Ein dämonischer Krieger, der Wäsche sortiert, dachte Gwen. Das ist doch mal etwas, das man nicht jeden Tag sieht.
„Und was ist, wenn ich dir nicht glaube, dass du auch wirklich dort bleibst?“
Er lachte. Schaurig. „Dein Pech. Ich werde dich nicht die ganze Nacht allein lassen.“
Das klang nicht gerade beruhigend. Er hatte weder geschworen, sich von ihr fernzuhalten, noch behauptet, keinen Sex mit ihr haben zu wollen.
Oder?
Und wollte sie überhaupt, dass er es versprach?
Sie musterte sein Profil. Ihr Blick schweifte über seine Nase. Sie war ein wenig länger als der Durchschnitt, wirkte aber genau deshalb majestätisch. Die Wangenknochen zeichneten sich scharf ab, sein Kinn war kantig. Insgesamt hatte er ein ziemlich grobes Gesicht ohne ein Zeichen der Jungenhaftigkeit, die sie sich manchmal zu sehen eingebildet hatte.
Aber seine Augen waren von himmlisch schönen, fast weiblichen Wimpern eingerahmt. Sie waren so dicht, dass seine Augen wirkten wie mit Ruß umrandet.
Sie schlang sich die Arme um die Taille, riss den Blick von diesem faszinierenden Gesicht und richtete ihn auf den Körper. Diese Muskeln … Auch davon war sie – schon wieder – fasziniert. In seinem Bizeps pulsierten die Venen, als er sein Rasierzeug
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