Die Herren der Unterwelt 05 - Schwarze Leidenschaft
dem Moment, als sich ihre Blicke trafen, entspannte sie sich. Lächelte sogar langsam. „Aeron“, wiederholte sie und seufzte glücklich. „Ich hatte schon Angst, du würdest nicht kommen.“
Diese Freude, die so rein und frei von jeglicher Boshaftigkeit war, überraschte – und verwirrte – ihn. Frauen sahen ihn nie so an. „Du hast dich vor den falschen Dingen gefürchtet. Du hättest Angst haben sollen, dass ich komme.“
Ihr Lächeln verblasste.
Schon besser. Das Einzige, das ihn nun noch verstörte, war die absolute Funkstille seines Dämons. Wie zuvor beim Schattenmädchen hätten jetzt eigentlich Bilder und die Gier nach Rache auf ihn einprasseln müssen. Denk später darüber nach.
Aeron setzte seinen Zickzackflug fort und flog direkt in sein Schlafzimmer, ohne – wie gewöhnlich – auf dem Balkon anzuhalten. Er musste so schnell wie möglich in Deckung gehen. Nur für alle Fälle. Nur leider gelang es ihm nicht, seine Flügel schnell genug einzuziehen, sodass sie gegen den Türrahmen knallten und bis in die Spitzen wie Feuer brannten.
Aeron ignorierte den Schmerz und konzentrierte sich darauf, die Füße sicher aufzusetzen. Nachdem er sich aufgerichtet hatte, schritt er zum Bett und legte seine Fracht sanft mit dem Gesicht nach unten auf der Matratze ab. Mit dem Finger fuhr er an ihrer Wirbelsäule entlang. Sofort öffnete sie den herzförmigen Mund und stöhnte gequält auf. Er hatte gehofft, ihre Kleidung wäre mit dem Blut eines anderen getränkt, aber nein. Ihre Verletzungen waren echt.
Doch dieses Wissen würde ihn nicht erweichen. Wahrscheinlich hatte sie sich selbst verletzt – oder den Jägern erlaubt, es zu tun –, nur um Mitleid zu wecken. Kein Mitleid von mir. Nur Wut. Als er auf seinen Kleiderschrank zuging, zog er seine Flügel ein, doch mitgenommen, wie sie nun waren, passten sie nicht mehr richtig unter ihre Klappen. Das verstärkte seine Wut auf sie nur noch.
Da er kein Seil hatte und nicht den Raum verlassen wollte, um eins zu holen, schnappte er sich zwei der Krawatten, die Ashlyn ihm gegeben hatte – für den Fall, dass er sich mal „aufbrezeln“ wollte. Dann ging er zum Bett zurück.
Die Frau drückte die Wange auf die Matratze, während ihr Blick jeder seiner Bewegungen folgte, als könnte sie nicht anders, als ihn anzustarren – aber sie wirkte nicht angewidert, im Gegensatz zu den meisten Frauen. Sie sah ihn beinahe sehnsüchtig an.
Das war sicher nur gespielt.
Aber … diese Sehnsucht … kam ihm irgendwie vertraut vor. Irgendwie beunruhigend. Das ist es, was mir vorhin aufgefallen ist, dachte er. Als sie seinen Namen gerufen hatte, hatte dieselbe Sehnsucht in ihrer Stimme gelegen, und tief in sich hatte er gewusst, dass er diesem Gefühl schon einmal begegnet war. Aber wann? Und wo?
Bei ihr?
Er starrte weiterhin auf sie hinab, und Zorn … schwieg immer noch, wie er feststellte. Das hier war (vermutlich) das erste Mal, dass er sich in Gegenwart dieser Frau befand, und trotzdem überflutete der Dämon sein Bewusstsein nicht mit Bildern ihrer Sünden. Das war seltsam. Und es war ihm erst ein einziges Mal passiert. Bei Legion. Warum, das hatte er nie herausgefunden. Denn, bei den Göttern, sein Baby hatte gesündigt, und das nicht gerade selten.
Warum also geschah es jetzt wieder? Und dazu noch mit einem möglichen Köder?
Diese Frau, hatte sie noch keine einzige Sünde begangen? Hatte sie noch nie ein unfreundliches Wort zu einem anderen gesagt? Noch niemandem einen Streich gespielt oder so etwas Harmloses getan wie ein Bonbon geklaut? Diese himmelblauen Augen waren die reine Unschuld. Oder hatte sie, wie Legion, sehr wohl gesündigt und flog bloß unterhalb von Zorns Radar?
„Wer bist du?“ Er schlang die Finger um eines ihrer zierlichen Handgelenke – mmh, warme, weiche Haut – und fesselte es mit der Krawatte an einen Bettpfosten. Anschließend band er ihre andere Hand ebenfalls fest.
„Mein Name ist Olivia.“
Olivia. Ein hübscher Name. Passend. Filigran. Im Grunde war das einzig Nichtfiligrane an ihr ihre Stimme. Sie troff geradezu vor … ja, vor was eigentlich? Das einzige Wort, mit dem er es beschreiben konnte, war „Wahrheit“, und sie strahlte so viel davon aus, dass es für ihn wie ein Stoß vor die Brust war.
Er hätte gewettet, dass diese Stimme noch nie die Unwahrheit gesagt hatte. Aber das war doch unmöglich.
„Was machst du hier, Olivia?“
„Ich bin … Ich bin deinetwegen hier.“
Diese Wahrheit … strömte mit einer
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