Die Herren der Unterwelt 05 - Schwarze Leidenschaft
hielt sie fester. Olivia seufzte zufrieden und begegnete wieder einmal Lysanders hartem Blick. Finster starrte er sie an.
„Darum“, war ihre verspätete Antwort. Kuscheln gehörte nicht zu den Dingen, die Engel taten. Natürlich hätten sie es tun können, wenn sie gewollt hätten, aber keiner hatte es je getan. Warum auch? Sie waren alle wie Brüder und Schwestern, und körperliches Verlangen war kein Teil ihres Wesens.
„Darum was?“, fragte Aeron, immer noch irritiert.
„Darum mag ich dich“, erwiderte sie aufrichtig.
Er spannte sich an, sagte aber nichts.
Lysander kniff die Augen zusammen und breitete seine Flügel in einer fließenden Bewegung aus, im Mondlicht schimmerten sie golden. Eine einzelne Feder fiel zu Boden. „Ich lasse dich jetzt erst einmal in Ruhe gesund werden, Liebes, aber ich werde wiederkommen. Du gehörst nicht hierher. Und ich habe das Gefühl, das wirst du mit der Zeit auch merken.“
5. KAPITEL
In dieser ersten Nacht, nach ihrem merkwürdigen Selbstgespräch, schlief Olivia irgendwann endlich ein. Im Schlaf stöhnte sie wieder vor Schmerzen und wälzte sich im Bett umher, wobei sie ihre Wunden von Neuem aufriss. In der zweiten Nacht begann das Gemurmel über Dämonen. Fass mich nicht an, du widerliche Bestie. Wimmern, Würgen. Bitte, fass mich nicht an. In der dritten Nacht herrschte eine tödliche Stille.
Aeron war das Flehen fast lieber gewesen.
Die ganze Zeit über tupfte er ihr den Schweiß von der Stirn, leistete ihr Gesellschaft – er las ihr sogar einen von Paris’ Liebesromanen vor, auch wenn sie davon nichts mitbekam – und zwang sie, zerkleinerte Tabletten mit etwas Flüssigkeit herunterzuspülen. Er wollte nicht ihr Leben auf dem Gewissen haben.
Aber noch viel mehr wollte er, dass sie aus seinem Leben verschwand – ganz gleich, wie stark sein Köper auf ihre Nähe reagierte. Oder beim Gedanken an sie. Er hatte nicht gelogen. Sobald es ihr wieder gut ginge, würde sie gehen. Eben weil sein Körper so auf sie reagierte.
Doch noch schlimmer war die Reaktion seines Dämons. Er setzte sich allen Ernstes für sie ein.
Bestraf sie, verlangte der Dämon zum … wievielten Mal? Zum hundertsten? Bestraf diejenigen, die ihr wehgetan haben. Während Aerons Blutrausch hatte der Dämon auch oft mit ihm gesprochen – in Ein-Wort-Kommandos – und zusätzlich grauenvolle Bilder durch seinen Kopf geschickt. Aber während der vergangenen drei Tage bestand die bevorzugte Kommunikationsmethode von Zorn aus ganzen Sätzen, was für Aeron extrem ungewohnt war. Wo war die friedliche Stille geblieben, die Olivia ausgelöst hatte?
Außerdem war er sich nicht sicher, was Olivia nach ihrem Fall hatte erleiden müssen, und konnte sich nicht gestatten, es herauszufinden. Denn vielleicht wäre er dann nicht mehr in der Lage, seinen Dämon aufzuhalten. Er konnte ihn ja jetzt schon kaum noch kontrollieren. Und wenn er die Wahrheit erst kannte, wollte er seinen Dämon womöglich gar nicht mehr aufhalten – sondern würde zum ersten Mal genießen, wozu er fähig war …
Hör auf, so zu denken. Aeron wollte gegenüber Olivia nicht noch sanftere Gefühle entwickeln, als er es bereits getan hatte, und genauso wenig wollte er, dass sie eine noch größere Rolle in seinen Gedanken und Entscheidungen spielte. Sein Leben war kompliziert genug. Und schon jetzt hatte sie es noch komplizierter gemacht.
Sie wollte Spaß haben. Wie er ihr versichert hatte, war Spaß nicht gerade ein Begriff, mit dem er viel anfangen konnte – und er hatte auch keine Zeit, es zu lernen. Aber darüber war er keineswegs enttäuscht. Ehrlich nicht.
Sie wollte lieben. Dafür war er in keinster Weise die richtige Adresse. Nie und nimmer brächte er eine romantische Beziehung zustande. Schon gar nicht mit jemandem, der so zerbrechlich war wie Olivia. Doch auch darüber war er nicht enttäuscht. Ehrlich nicht.
Sie wollte Freiheit. Die konnte er ihr geben. In der Stadt. Wenn sie sich nur endlich erholen würde, verdammt!
Aber sie würde schon noch gesund, sonst würde er – bei den Göttern! – irgendwann seinen Dämon von der Leine lassen.
Bestraf sie. Bestraf diejenigen, die ihr wehgetan haben.
Warum nur mochte sein Dämon sie? Und Zorn musste sie mögen. Das war die einzig mögliche Erklärung dafür, dass er den Drang verspürte, Wesen anzugreifen, die ihnen nie persönlich begegnet waren. Er hatte Zeit gehabt, darüber nachzudenken – viel zu viel Zeit –, und dennoch hatte er keine Antworten
Weitere Kostenlose Bücher