Die Herren der Unterwelt 05 - Schwarze Leidenschaft
Aeron nur denken? In all der Zeit, die sie ihn beobachtet hatte, hatte sie nie gesehen, dass er irgendeiner bestimmten Frau seine Aufmerksamkeit geschenkt hätte – außer ihr, nämlich während der vergangenen Nächte und an diesem Morgen. Sie wusste also nicht, auf welche Art Frauen er stand.
Und vermutlich war es auch besser so. Sie könnte nicht vorgeben, jemand zu sein, der sie gar nicht war. Sonst wäre sie noch im Himmel. Also würde er sie um ihrer selbst willen mögen müssen. Ja, das wünschte sie sich am meisten. Und falls ihm das nicht gelänge, tja, dann wäre er es ohnehin nicht wert, dass sie ihre Zeit für ihn opferte.
Er wird dich mögen. Wie könnte er auch anders?
Selbstvertrauen war etwas Schönes.
„Mit diesen Klamotten wird dir jeder Mann bettelnd zu Füßen liegen“, erwiderte Kaia. Der Rotschopf hatte die letzte Stunde damit verbracht, in seinem Kleiderschrank nach dem richtigen Outfit für Olivia zu stöbern. „Ich hab sie in einem kleinen Laden in der Stadt geklaut.“
Moment. „Du hast diese Sachen nicht bezahlt?“
„Genau.“
„Ehrlich?“ Warum nur fühlte sie sich plötzlich noch attraktiver? Wurde sie schon genauso verdorben wie die Dämonen? Vielleicht würde sie dem Lädchen etwas Geld schicken. Du hast doch gar kein Geld. Vielleicht würde sie dem Lädchen etwas von Aerons Geld schicken.
„Jetzt setz dich hin“, befahl Kaia und wies mit dem Kinn auf den Stuhl, der vor dem Schminktisch stand.
Cameo stöhnte. „Bist du immer noch nicht fertig?“ Sie setzte sich aufs Bett und wartete (un)geduldig auf das Ende der Mach-mich-zur-Schlampe-Session. „Ich habe so viele Fragen.“
Kaia zuckte die Achseln. „Dann frag doch, während ich das Make-up mache.“
Olivia setzte sich wie befohlen auf den plüschigen Stuhl, und Kaia hockte sich vor sie. Die Harpyie hatte sich schon mit einem Lidschattenpinsel und einem Döschen mit azurblauem Puder bewaffnet. Da Olivia sich noch nie in ihrem Leben geschminkt hatte, war sie sich nicht sicher, ob ihr so viel Farbe im Gesicht gefiele, doch sie beschwerte sich nicht. Schließlich war das einer der Gründe, weshalb sie hier war: um alles zu erleben, was die Welt zu bieten hatte.
„Mach die Augen zu“, sagte Kaia. Einen Moment später begann der Pinsel auch schon sanft über ihre Lider zu tänzeln. „Schieß los, Cameo.“
Eine weitere Aufforderung war nicht nötig. „Du hast gesagt, du kennst die Aufenthaltsorte einiger anderer dämonbesessener Unsterblicher“, begann Cameo ohne Umschweife.
„Ja.“ Wieder kein Blitz und keine Engelsarmee.
„Aeron ist in der Nacht, in der er dich gerettet hat, einem Mädchen begegnet. Es war von schreienden Schatten umgeben, was auch immer das bedeutet. Kennst du es?“
Unwillkürlich nickte Olivia.
„Halt still“, meinte Kaia. „Jetzt muss ich das Auge noch mal machen. Es sieht aus, als hätte ich dich geschlagen. Mir gefällt der Look ja, aber ich bezweifle stark, dass Aeron darauf steht.“
„Tut mir leid.“ Sie setzte sich gerade hin und hielt ihr Kinn still. „Das war Scarlet, die Tochter von Rhea. Ach, und falls ihr es nicht wisst: Rhea ist die selbst ernannte Mutter der Erde und verbitterte Gattin von Cronus.“
„Was?“, fragte Cameo entsetzt. „Das Schattenmädchen ist eine Tochter der Götter? Und zwar nicht irgendwelcher Götter, sondern des Königs und der Königin der Titanen?“
„Nun ja, einer Göttin. Cronus ist nicht ihr Vater. Rhea verbrachte verbotene Zeit mit einem Krieger der Myrmidonen, als sie und Cronus anfingen, gegeneinander Krieg zu führen.“
„Warum führten sie denn Krieg?“, fragte Kaia. „Ich schätze, ich sollte die Antwort kennen, aber ich habe die Machtspielchen des Himmels nie verfolgt.“
Die Erklärung war einfach. „Cronus hatte vor, ihre Kinder, die Griechen, in den Tartarus zu sperren, weil sein altes allsehendes Auge vorhergesagt hatte, dass sie die Macht an sich reißen würden. Rhea wollte sie nur auf die Erde verbannen. Aber er sperrte sie trotzdem weg.“
Cameo murmelte kurz „Hmm“, ehe sie sagte: „Und wann wurde diese Scarlet gezeugt?“
Was für eine traurige Stimme … Olivias Herz blutete regelrecht, und mit jedem Wort, das die Kriegerin sprach, schmerzte es stärker. „Rhea hatte ihre Affäre zu einer Zeit, als sie nach Möglichkeiten suchte, wie man den Griechen zur Flucht aus dem Tartarus verhelfen und Cronus stürzen könnte. Ihr Liebhaber half ihr sogar bei der Ausführung des finalen Plans und starb
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