Die Herren der Unterwelt 05 - Schwarze Leidenschaft
für seine Mühen. Am Ende wurden die Griechen befreit. Rhea war davon ausgegangen, weiter herrschen zu können, doch Zeus hatte Sorge, sie würde sich später auf Cronus’ Seite stellen, und sperrte sie deshalb genau wie seinen Vater weg. Scarlet wurde im Gefängnis geboren und großgezogen.“
Während sie gesprochen hatte, waren nacheinander Pinsel, Schwämmchen und Stift über ihr Gesicht getanzt. In ihrem Magen regte sich die Nervosität. Sie betete, dass sie nicht wie ein Clown aussähe, wenn Kaia fertig wäre.
„Dann ist diese Scarlet also besessen von … Schatten?“, fragte Cameo. „Von der Dunkelheit? Wenn dem so sein sollte, wüsste ich nicht, wie eins von beidem als böse bezeichnet werden kann. Sie scheinen eher Geschenke zu sein als Flüche. Sich immer verstecken zu können … seinem Feind eins zu verpassen, ohne gesehen zu werden …“
„Du denkst zu absolut“, erklärte Olivia. „Dein Dämon Elend ist auch nicht notwendigerweise ein Fluch, denn ohne Schmerz gäbe es kein Glück. Denk mal darüber nach. Jeder muss in einem bestimmten Ausmaß dunkle Gefühle erleben, um sich über das freuen zu können, was er hat. Dein Dämon ist einfach nur das Extrem dieser Gefühle. Genauso verhält es sich bei den anderen Herren. Und bei Scarlet. Aber ihr Dämon heißt weder Schatten noch Dunkelheit, sondern Albtraum.“
„Wow“, meinte Kaia. „Und ich dachte, die Jungs hier wären gut dran. Das muss doch der coolste Dämon überhaupt sein.“
Albtraum? Cool? Wohl kaum. „In der Dunkelheit, die Scarlet heraufbeschwört, gibt es nicht ein Fünkchen Licht. Diese Dunkelheit, die in ihr wohnt, ist abgrundtief, eine endlose Wüste der Finsternis. Und in dieser Finsternis lauern genau die Dinge, vor denen sich die Menschen am meisten fürchten.
Olivia hörte Klamotten rascheln und stellte sich vor, wie Cameo sich auf dem Bett anders hinsetzte und sich näher zu ihr beugte. „Wieso weißt du so viel darüber?“
„Ich bin in all den Jahrhunderten vielen Dämonen begegnet. Und als Glücksbotin sah ich, wie und warum dämonische Einflüsse ganze Menschenleben ruinieren.“
„Oooh, cool. Und was hast du mit diesen Dämonen gemacht?“, hakte Kaia nach. „Ich will alles wissen: vom In-den-Hintern-treten bis zum Blutaufwischen.“
Bezaubernde Harpyie – dass sie sie für so stark hielt. „Ich habe sie nicht selbst bekämpft. Wenn meine Anwesenheit nicht ausreichte, sie in die Flucht zu schlagen, musste ich einen Kriegerengel rufen, der sie erledigte.“
„Moment mal“, hakte Cameo nach. „Solche Erlebnisse können dir aber nicht verraten haben, wo Scarlet sich aufhält und was ihre Fähigkeiten sind.“
Erwischt. Olivia stieg die Hitze ins Gesicht. „Ich habe Aeron eine Zeit lang beobachtet und wusste daher, dass er gern andere seiner Art treffen wollte. Ich habe mich umgesehen, welche sich in seiner Nähe aufhielten, und zufällig war die nächste Scarlet. Es gibt noch ein paar andere, die nicht allzu weit weg leben, aber die meisten sind quer über den Globus verteilt.“
„Interessant. Und sie …“
„Nein. Jetzt bin ich mit Fragen dran“, unterbrach Kaia sie. „Ist diese Scarlet gut oder böse?“
Olivia wägte ihre Antwort sorgfältig ab. „Ich schätze, das hängt davon ab, wie du ,gut’ und ,böse’ definierst. Sie wuchs in einem Gefängnis auf, umgeben von Kriminellen. Das war alles, was sie kannte, bevor sie mit ihrem Dämon vereint und später auf die Erde losgelassen wurde. Alles, was sie je getan hat, tat sie, um zu überleben.“
„Genau wie wir“, murmelte Cameo.
Was nicht für Olivia galt. Alles, was sie in letzter Zeit getan hatte, war nur geschehen, um ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Eigentlich sollte sie sich deswegen schuldig fühlen, aber … das tat sie nicht. Wenn sie den Weg zu ihrem Glück entdeckte, fand sie vielleicht auch den zu Aerons Glück.
Mit „vielleicht“ ist es jetzt vorbei, meldete sich ihr neues Selbstvertrauen zu Wort.
Endlich machte Kaia den letzten Pinselstrich. Das Makeup war fertig. Die Harpyie klatschte in die Hände und pfiff. „Fertig. Mann oh Mann, bin ich gut.“
Ganz langsam öffnete Olivia die Augen. Als sie sich im Spiegel erblickte, stockte ihr der Atem. Der blaue Lidschatten unterstrich den Farbton ihrer Augen und ließ sie magisch funkeln. Die schwarze Mascara verlängerte ihre Wimpern so sehr, dass die beinahe bis an die perfekt gezupften Brauen reichten. Das rosafarbene Rouge auf den Wangen verlieh ihr eine
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