Die Herren der Unterwelt Bd. 8 - Schwarze Niederlage
abermals nach ihr – keine Gnade – diesmal gegen die flatternden Flügel. Bumm. Der Körper ihrer Mutter flog nach vorn, der Knorpel im rechten Flügel brach. Wieder geschah das Ganze so schnell, dass die Zuschauer nicht blinzeln durften, um alles mitzubekommen.
Eigentlich hätte die Verletzung ihrer Mutter ein wenig den Wind aus den Segeln nehmen müssen, aber Tabitha hatte Millionen Jahre auf dem Buckel und kämpfte nicht zum ersten Mal mit einem gebrochenen Flügel. Scheinbar unempfänglich für den Schmerz, den sie verspüren musste, stand die Frau auf und drehte sich um.
„Ist das alles, was du drauf hast, Baby?“ Tabitha lächelte, doch es klebte Blut auf ihren Zähnen.
Kalt. Gnadenlos. „Mal sehen.“
Wieder gingen sie aufeinander los, trafen sich in der Mitte. Was folgte, war eine blitzschnelle Abfolge von Schlägen und Abwehrbewegungen. Kalt, bleib kalt. Jedes Mal wenn ihre Mutter mit dem linken Arm ausholte, zielte sie mit dem Dolch auf Kaias Halsschlagader. Kaia bekam mehrere Kratzer ab, aber die Klinge sank nicht einmal tief genug in ihr Fleisch, um ernsthaften Schaden anzurichten. Und das lag nicht etwa daran, dass ihre Mutter nur halbherzig zuschlug! Kaia hatte Fähigkeiten, von denen sie selbst nichts geahnt hatte.
Momentan hatte Tabitha die Oberhand und schubste Kaia zurück. Sie hielt sich wacker auf den Beinen – kalt, kalt, ganz kalt, erstickte jeden neuen Funken, der versuchte, in ihr aufzuglimmen –, bis sie über einen bewusstlosen Körper stolperte. Da stürzte sie. In der nächsten Sekunde saß Tabitha auf ihr.
Als der Dolch auf sie zukam, wusste sie, dass sie nur eine Möglichkeit hatte, ihren Hals zu retten. Und ihr Leben. DerDolch brauchte ein Ziel. Sie fing das Metall mit ihrer Handfläche ab und ließ es zu, dass sich die Spitze durch ihr Fleisch bohrte, bis sie auf der anderen Seite wieder herauskam. Es tat saumäßig weh, aber das war es wert. Zwar war ihr Knochen zersplittert, aber der Dolch steckte darin fest, sodass Tabitha eine leere Hand zurückzog.
Wovon sie sich jedoch nicht aufhalten ließ. Auf einmal regneten Faustschläge auf Kaias Gesicht nieder, in so dichter Folge, dass sie ihnen nicht ausweichen konnte, und beinahe hätte sie das Bewusstsein verloren. Dennoch blieb sie kalt, und schließlich brachte sie die Kraft auf, sich nach hinten auf ihre Schulterblätter zu rollen, ihre Mutter abzuschütteln und die Beine hochzuschwingen.
Sie legte Tabitha die Knöchel um den Hals und zog ihre Mutter herunter. Die Frau fiel hart auf ihren Rücken, sodass eine ordentliche Ladung Luft aus ihrer Lunge rauschte. Oder gerauscht wäre – hätte Kaia die Absätze ihrer Stiefel ihrer Mutter nicht in die Kehle gerammt, wodurch sie ihr die Luftröhre abdrückte und die Luft am Entweichen hinderte.
Ohne Pause stand Kaia auf. Sie konnte kaum etwas sehen, weil ihr unentwegt Blut in die geschwollenen Augen tropfte. Bring es zu Ende. Mit aller Kraft zog sie sich den Dolch aus der Hand – und verflucht noch mal, das Rausziehen tat noch mehr weh als das Eindringen! – und warf die Waffe aus dem Feld. Nun waren sie beide unbewaffnet.
Sie stolperte nach vorn in der Hoffnung, auf ihrer Mutter zu sein, ehe die erfahrene Soldatin Zeit hatte, zu heilen oder sich eine Strategie zurechtzulegen. Aber sie hatte Pech. Tabitha war ruck, zuck! wieder auf den Beinen, und sie standen sich zum dritten Mal gegenüber. Langsam gingen sie umeinander herum.
„Nicht schlecht“, krächzte Tabitha. Ihre Stimme war wegen der noch nicht verheilten Luftröhre ganz rau. „Ich hätte schon längst mit deinem K. o. gerechnet.“
„Das liegt daran, dass du zu viel von dir hältst und zu wenig von deinen Artgenossen.“
„Aus gutem Grund.“ Ohne Gefühl.
Ich werde dafür sorgen, dass sie irgendetwas fühlt. Kaia leckte sich die Lippen und schmeckte Blut. „Der Preis für die Mutter des Jahres geht an Tabitha die Teuflische. Oder nein, doch nicht. Aber du brauchst dich nicht schlecht zu fühlen. Vater habe ich den Preis ebenfalls aberkannt.“
Tabitha hielt in ihrer Bewegung inne, blinzelte, und ihre Lider verbargen und enthüllten Schmerz. „Ich bin eine gute Mutter.“
Äh, was? Das hatte sie getroffen? „Wenn du mit gut meinst, dass du die schlechteste Mutter der Welt bist, dann stehst du ganz oben auf der Liste, ja.“
Tabitha kniff die bernsteinfarbenen Augen zusammen, und jeglicher Schmerz verschwand. „Wenn du tot bist, wird sich eine andere Harpyie deinen Mann schnappen. Das weißt
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