Die Herren der Unterwelt Bd. 8 - Schwarze Niederlage
später“, log sie.
Eine angespannte Pause. Dann: „Besser ist es.“
„Sonst gehst du?“
„Ja.“
Ihr Erzfeind – der Mann, den sie jahrelang vergeblich gesucht hatte, um ihn für das zu bestrafen, was er ihrer Schwester angetan hatte – hielt nun einen langen, dünnen Speer in der Hand.
Seine dickeren, länglichen Enden waren aus Glas, und irgendetwas glänzte und drehte sich darin.
Dieser Speer strahlte eine schier unerträgliche Macht aus.
Juliette nahm ihm die Waffe ohne ein Wort des Dankes ab. Der Mann – sein Name war Lazarus, das hatte Kaia vor langer Zeit erfahren; doch sie und Bianka hatten ihm den Spitznamen Der Tampon verpasst, weil er so ein Vollidiot war – drehte sich auf dem Absatz seiner Stiefel um. Er ließ seinen düsteren Blick suchend über die Menge gleiten … ehe er Kaia erspähte und sie anstarrte.
Der Sauerstoff gefror ihr in der Lunge, sodass es unmöglich war, weiterzuatmen. Jetzt bloß keine Reaktion zeigen, dachte sie. Nicht hier und nicht jetzt. Aber später würde sie ihn aufsuchen. Und sie würde ihm genauso wehtun, wie sie es immer vorgehabt hatte.
Langsam verzog er den Mund zu einem Grinsen. So hübsch …und so kalt und böse. Sie fauchte, und ihre Eckzähne sprangen aus ihrem Kiefer. Du bist ein toter Mann, Cowboy. Er gehörte zu Juliette, ja, und niemand gab ihm die Schuld für das, was mit ihren Lieben geschehen war, sondern Kaia. Und, ja, sie beschuldigten sie aus gutem Grund. Hätte sie die Anweisungen ihrer Mutter befolgt, hätte er nicht die Kraft gehabt, irgendwem etwas anzutun. Aber er war es gewesen, der mit Zähnen und Klauen Fleisch zerrissen hatte. Er hatte all diesen Harpyien den Todesstoß versetzt.
Und er wäre es auch, der dafür bezahlen würde – und zwar durch Kaias Hand.
Jedes Mal, wenn sie einen Obstkorb an Juliette verschickt hatte, hatte sie auf die Vergangenheit hingewiesen – aber in ihrem Kopf hatte sie sich für etwas entschuldigt, was sie für die Zukunft geplant hatte: ihn umzubringen. Niemand verletzte ihre Schwestern. Niemand.
„Vergiss später. Wer ist er, verdammt noch mal?“, wiederholte Strider.
Ehe sie sich eine Antwort überlegen konnte, setzte sich DerTampon in Bewegung, verließ die Bühne und versteckte sich hinter dem Vorhang. Schlau von ihm. Sie war sich nämlich nicht sicher, wie lange sie sich noch zurückhalten könnte, bevor sie auf ihn losgegangen wäre.
Aber wenn sie ihn angriff, sollte es unter vier Augen geschehen. Niemand sollte da sein, um ihn zu retten.
„Später“, entgegnete sie noch einmal.
„Das hier“, sagte Juliette und lenkte die Aufmerksamkeit aller auf den Speer in ihrer Hand, „ist etwas sehr, sehr Kostbares. Es ist viel kostbarer als Silber oder Gold.“ Mit ihren lavendelfarbenen Augen fixierte sie Kaia. „Ich bin mir sicher, dass ihr die Macht gespürt habt, die davon ausgeht, aber soll ich euch etwas verraten? Diese Macht kann sich auf euch übertragen. Ihr könnt sie ausüben und kontrollieren. Ihr werdet stärker sein, als ihr es euch vorstellen könnt. Ihr werdet unbesiegbar sein.“
Ein Murmeln wurde laut.
Wenn es stimmte, was Juliette behauptete, warum hatte sie die Macht dann nicht auf sich übertragen? Warum hatte sie Kaia nicht schon längst angegriffen? Warum war sie so eifrig darauf aus, dieses Ding herzugeben?
Juliette lächelte nachsichtig. „In all den Jahrhunderten haben die Götter diese mächtige Waffe die Zweiadrige Rute genannt. Aber ich habe dafür einen besseren Namen: Erster Preis.“
Strider erstarrte.
Sabin fluchte.
Beide Männer wären auf die Bühne gesprungen, wenn Taliyah und Neeka sie nicht zurückgehalten hätten. Aber es hätte ihnen sowieso nichts genützt, da die Waffe von einer Sekunde auf die andere verschwand.
„Was zum Teufel ist das?“, fragten Kaia, Gwen und Bianka im Chor.
Kaia drängte ihre Schwestern von der Seite ihres Mannes, nahm sein Gesicht zwischen ihre Hände und zwang ihn, sie anzusehen. „Was geht hier vor?“
„Der Erste Preis“, zischelte Strider. „Das ist das vierte Artefakt, das wir brauchen, um die Büchse der Pandora zu finden und zu zerstören.“
„Was bedeutet“, ergänzte Sabin tonlos, „dass der Erste Preis die Macht hat, uns für immer das Licht auszupusten.“
6. KAPITEL
W ie zum Teufel hatte das passieren können?
Strider tigerte in dem schmuddeligen Motelzimmer auf und ab. Das Eis in seinen Adern machte seine Bewegungen schleppend. Seine Stiefel hämmerten auf dem struppigen braunen
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