Die Herren der Unterwelt Bd. 8 - Schwarze Niederlage
Cronus bedingungslosen Gehorsam schwor. Aber weshalb?
Warum wollte er unbedingt ihren Gehorsam? Ihre Hilfe? Welche Erwartungen stellte er an sie? Das hatte er nie gesagt. Dafür hatte er sie in seinem verzweifelten Bemühen, sie zu kontrollieren, ihre ehemaligen Kollegen ausspionieren lassen. Die Jäger. Gott, was hatten sie für furchtbare Dinge getan …
Sie war angewidert und wütend. Einst hatte sie einen unschuldigen Mann verletzt – der Jäger wegen. Sie hatte zugeschlagen, als Paris am schwächsten gewesen war – der Jäger wegen. Sie hätte ihnen geholfen, den Krieger zu töten, wenn er nicht mit ihr geflohen wäre. In dem Glauben, er hätte sie als Schild benutzt, hatte sie ihn für ihren Tod verantwortlich gemacht. Sie hatte ihn dafür gehasst. Jetzt hasste sie nur noch sich selbst.
Nein, das stimmte nicht. Sie hasste die Jäger und alles, wofür sie standen.
Bevor sie – noch einmal – starb, würde sie sie vernichten. Oder noch besser: Sie würde Paris dabei helfen, sie zu vernichten. Irgendwie würde sie aus dieser Burg entwischen. Und sie würde ihn noch einmal finden. Sie würde ihm alles erzählen, was sie über seinen Feind wusste. Würde jedes Geheimversteck, jeden Schlachtplan und jede Strategie verraten, von der sie je erfahren hatte. Und wenn er sie noch immer nicht sehen oder hören könnte, würde sie es jemandem erzählen, der sie sah – zum Beispiel seinem dunkelhaarigen Freund. Und dann … dann würde sie dem anderen Freund von Paris ein Geschenk machen. Aeron – und zwar würde sie ihm Zorn schenken.
Das würde sie endlich töten. Für immer.
Zwar würde es nicht die Fehler wiedergutmachen, die sie begangen hatte – sie bezweifelte, dass das überhaupt möglich war. Aber es wäre ein Anfang.
Du musst nur einen Weg nach draußen finden …
Ihr entfuhr ein Seufzer. Sie war nicht festgekettet und sie wusste, dass Cronus hier noch andere Gefangene hielt, denn sie schrien und schimpften ohne Unterlass. Im Gegensatz zu ihr konnten sie sich nicht in der gesamten Burg frei bewegen. Den anderen Gefangenen gehörte nur die zweite Etage. Die wenigen Male, die Sienna sich dazu hatte durchringen können, ihre geflügelte Gestalt die Stufen hinaufzuschleppen, war der Dämon in ihr vollkommen durchgedreht. Die grausamsten Bilder hatten in ihrem Kopf aufgeflackert. Bilder von Blut,Folter und Tod.
Die Leute da oben waren Krieger, die genauso von Dämonen besessen waren wie sie. Sie hasste sie weder, noch wollte sie ihnen etwas antun. Sie wollte ihnen helfen – aber ihr Dämon wollte sie bestrafen. Immer nur bestrafen.
Du kannst ihnen hier drin nicht helfen.
Ich kann ihnen aber auch nichts antun.
Jetzt stritt sie schon mit sich selbst. Sie lachte. Sie hatte sich immer gezwungen, zurückhaltend zu sein, sogar düster. Sie hatte immer jeglichen Anflug von Wut und Sarkasmus unterdrückt. Zu groß war die Angst gewesen, die Gefühle eines anderen zu verletzen. Zu groß die Sorge, ihre Lieben zu enttäuschen. Nach der Entführung ihrer jüngeren Schwester hatte sie hart wie ein Felsen sein müssen. Jede weitere emotionale Unruhe hätte sie zerstört.
Aber das war vorbei. Sie war stark. Sie war tüchtig. Sie wurde gebraucht.
Sie könnte ihren Dämon besiegen und den Wesen dort oben helfen. Ja, das könnte sie.
Für Paris.
11. KAPITEL
D er nächste Morgen dämmerte hell und früh. Zu hell, zu früh. Kaia war die ganze Nacht wach geblieben. Ihre Gedanken waren viel zu aufgewühlt gewesen, als dass sie ein Auge hatte zumachen können. Als sie nun das orangefarbene Glühen der Sonne sah, zeigte sie ihr wütend den Stinkefinger.
„Hau ab, du Mistding!“
Strider lag auf ihrem Bett und beobachtete sie amüsiert. Er hatte sich auf der Matratze breitgemacht und tief und fest geschlafen, während sie die ganze Nacht unruhig auf und ab gegangen war.
„Mit wem sprichst du?“, fragte er mit verschlafener Stimme.
Mit einer verschlafenen Stimme, die sie antörnte. Dieser Mistkerl, alles an ihm törnte sie an. Ergreif die Initiative. Erstick die Sache im Keim. „Vielleicht mit dir“, erwiderte sie zickig, stürmte zum Bett, schnappte sich ein Kissen und schlug ihm damit auf die Brust.
Er machte sich nicht mal die Mühe, schützend den Arm zu heben. „Hat dir eigentlich schon mal jemand gesagt, wie entzückend du morgens bist?“
Wumms. „Nein.“ Wumms.
„Würdest du dich mal kurz setzen?“ Er riss ihr das Kissen aus den Händen und warf es auf den Boden. „Meine Güte. Ich brauche …
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