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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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Baumdach hereindrang, zu schaffen. Gilfalas glitt von Schatten zu Schatten, leichtfüßig wie immer, doch es hatte den Eindruck, als würde er von einer Deckung zur nächsten huschen. Selbst der Bolg sah sich misstrauisch um, als fühlte er sich beobachtet. Nur Talmond, ihr Führer, wirkte unberührt von allem. Dieser Wald war sein Revier. Hier war er der Herr.
    Aldo war froh, als sie am Nachmittag endlich eine Lichtung erreichten, wo sie rasten konnten. Nahebei plätscherte ein kleiner Bach, an dem sie ihren Durst stillten. Sie verzichteten darauf, ein Feuer zu entzünden; da sie keine Gelegenheit gehabt hatten, auf die Jagd zu gehen, gab es ohnehin kein Wildbret, das man hätte zubereiten können. So suchten sie die letzten Reste von ihrem Proviant zusammen, und auch wenn das Elbenbrot inzwischen trocken geworden war und die Früchte aus dem Verborgenen Tal ihre Frische verloren hatten, reichte es für ein karges Mahl.
    »Pilze«, sagte Aldo. »Wir könnten Pilze sammeln. Am Bach müsste es genug davon geben. Und sie dann ganz fein schneiden und mit Zwiebeln … und Butter … in einer Pfanne … rösten.« Er seufzte, als er merkte, was ihnen zu einem guten Mahl alles fehlte.
    »Sehr witzig«, sagte Gorbaz und grinste.
    Aldo, der ausgestreckt auf dem Boden lag, sah zu ihm auf. »Ich könnte auch deinen Helm nehmen und sie darin braten«, schlug er vor.
    Gorbaz’ Grinsen erlosch. »Nicht sehr witzig«, stellte er fest.
    Gilfalas saß an einen jungen Baum gelehnt und schaute zu Talmond hinüber. Der Ritter pulte sich mit einem Hölzchen die letzten Essensreste aus den Zähnen.
    »Wird es noch lange dauern, bis wir auf Eure Leute stoßen, Herr Talmond?«, fragte er höflich.
    Talmond verzog das Gesicht. Es war kein richtiges Lachen; sein Mund lächelte, doch seine Augen lächelten nicht mit.
    »Aber nein«, sagte er. »Mich deucht, sie sind sogar schon allhier.«
    Er steckte zwei Finger in den Mund und stieß einen Pfiff aus. Wie aus dem Nichts tauchten ringsum Gestalten aus dem Unterholz auf. Ihre Kleidung war zerlumpt und aus den verschiedensten Teilen zusammengeflickt. Einige trugen sogar Rüstungen: der hier einen Helm, jener ein Stück Kettengeflecht über der Brust, wieder andere ein paar Schulterstücke oder Armkacheln. Sie alle trugen kurze Bögen oder primitive Armbrüste in den Händen. Die Sehnen waren gespannt und die Pfeile auf die Gefährten gerichtet.
    »Ich fürchte«, fuhr Talmond fort, »an dieser Stelle trennen sich unsre Wege. Ich bin nicht ganz für die Rolle des Helden geschaffen, die Euer junger Freund« – damit wies er auf Aldo – »für mich ausersehen hat. Doch zuvor bitte ich Euch, dass Ihr Euch von Euren Waffen und dem Kleingeld trennen möget; es wird meinen Leuten und mir zugute kommen. Ich hoffe, Ihr nehmet es mir nicht übel.«
    Burins Gesicht war so rot angelaufen wie sein Bart. Er griff nach seiner Doppelaxt. Auch Gorbaz grollte; es war ein Knurren, das tief aus seiner Kehle aufstieg.
    Aldo verstand die Welt nicht mehr. Talmond der Mächtige … nun gut, er hatte festgestellt, dass er in Wirklichkeit nicht ganz so heldenhaft war wie in den alten Legenden – aber der Retter der Mittelreiche als ein einfacher Straßenräuber? »D-das könnt Ihr nicht machen«, stotterte er. »Das dürft Ihr nicht …«
    »Not kennet kein Gebot«, entgegnete der Ritter. »Und bevor Ihr, Meister Burin – oder du, Bolg – etwas Unbedachtes thuet, bedenket: Zwanzig Pfeile sind auf euch gerichtet.«
    »Zwölf«, sagte Gilfalas. Er saß immer noch ungerührt gegen den Baum gelehnt, als ginge ihn das alles gar nichts an. »Ich habe sie gezählt. Es sind nur zwölf. Und was Ihr nicht wisst, Herr Talmond: Jeder dieser Schützen wird von mindestens zwei Elbenkriegern beschattet.«
    »Wie? Wo?« Talmonds Blick zuckte umher. »Ich sehe niemanden.«
    »Glaubt Ihr etwa nur an das, was Ihr seht?«
    Er brauchte nicht einmal zu pfeifen. Im nächsten Augenblick waren sie überall: grün gekleidete Gestalten mit Schwertern, Lanzen und Bögen. Aus dem Zwielicht des Waldes tauchten sie auf; aus Winkeln, die das Auge nicht richtig hatte erfassen können, traten sie herbei und waren plötzlich da. Und die Lichtung war erfüllt von ihrem silberhellen Gelächter.
    Talmond stand da, als wüsste er nicht, wie ihm geschah. Dann ließ er mit einem Seufzer die Schultern sinken.
    »Es war einen Versuch wert«, sagte er. »Und was soll jetzt geschehn – mit mir und mit den Meinigen?« Dabei machte er eine Bewegung mit seinem

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