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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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Seine Schultern streiften die Decke.
    »Was willst du damit sagen?«, knurrte Bregorin, nicht unfreundlich, aber doch mit einem gewissen Misstrauen in der Stimme.
    »Diese Bolgs hier«, sagte Gorbaz mit einem Blick auf die Halbmenschen, die ihn zu beiden Seiten umlagerten, »haben sich entschlossen, mir zu folgen. In meiner Zeit war ich nur ein einfacher Legionär, aber hier und jetzt bin ich der Große Bolg. Sie warten nur darauf, dass einer wie ich ihnen befiehlt. Ich bin bereit.«
    »Du glaubst wirklich, sie würden dir folgen?«
    »Das werden sie. Denn so hat es mir der große Khan in Zarakthrôr vorhergesagt. Er, den ihr den Meister nennt.«
    Bregorin neigte das Haupt.
    »Dann«, sagte er, »soll es so geschehen. Morgen ziehen wir in die Schlacht.«

K APITEL XIV
IN DEN SCHLINGEN DER ZEIT
    Kim öffnete die Augen.
    In der großen Halle, in deren Ecke er sein Nachtlager aufgeschlagen hatte, herrschte noch Dunkelheit. Nur ein paar matt glimmende Steine unter den Gewölben vertrieben die tiefsten Schatten.
    Ringsum lagen alle und schliefen. Irgendwo schnarchte jemand laut und vernehmlich, und das mit einer sonoren Intensität, dass es sich nur um einen Bolg handeln konnte. Von den Elben, von denen es hieß, dass sie niemals schliefen, sondern nur träumten, war keine Spur zu sehen. Die Luft war erfüllt von den warmen Ausdünstungen der Menschen, von einem Raunen unwillkürlicher Bewegungen. Irgendjemand wimmerte leise im Traum. Andere zuckten im Griff von Nachtmahren, erlebten die Gefangenschaft, den Hunger, die Brutalität aufs Neue, vor denen sie geflohen waren. Doch sie alle schliefen den Schlaf, der Heilung bringt.
    Kim hatte nicht geschlafen. Die ganze Nacht hatte er wach gelegen und nachgedacht. Jetzt war er zu einem Entschluss gekommen.
    Er richtete sich auf und schlug vorsichtig, um niemanden zu wecken, die Decke zurück. Da er voll angekleidet dort gelegen hatte, brauchte er sich nicht erst anzuziehen. Und auf eine Morgentoilette kam es nicht mehr an. Jetzt nicht mehr.
    Er warf einen letzten Blick auf das Mädchen, das neben ihm schlummerte. Jadis blasses Gesicht war entspannt im Schlaf; kein Schatten lag darauf. Kim spürte einen plötzlichen, unwiderstehlichen Drang, ihr einen Abschiedskuss zu geben, doch er überwand sich. Er durfte kein Risiko eingehen, dass sie erwachte. Oder sonst jemand. Er hatte schon zu lange gewartet.
    Er musste sich eilen.
    Auf Zehenspitzen tappte er zwischen den Schlafenden einher. Sein Blick glitt suchend über die verhüllten Gestalten, die in Decken gewickelten Leiber. Dann fand er den, den er suchte.
    Gwrgi hatte sich im Gang vor einer der Seitenkammern in der Türlaibung zusammengerollt, wie ein Hund, der vor der Tür seiner Herrin wacht. Seine Augäpfel unter den geschlossenen Lidern zuckten. Wovon mochte der Sumpfling träumen? Ob er wieder Visionen hatte, Visionen der Zukunft oder der Vergangenheit oder von einer Zeit, die es niemals geben würde?
    Egal, es war keine Zeit mehr dafür. Wenn er seinen Entschluss nicht jetzt gleich in die Tat umsetzte, würde es zu spät sein.
    Kim verschloss Gwrgis breiten Mund, der halb offen stand, mit der Hand. Der Sumpfling spürte, wie sein Atem stockte; er würgte, dann riss er die Augen auf.
    »Hmmmpf …?«
    »Psst!« Kim legte den Finger an die Lippen. »Nicht sprechen!«
    Die Augen quollen noch weiter aus den Höhlen, dann klärte sich der Blick, als Erkennen darin aufdämmerte. Kim gab ihn frei.
    »Freund?«, spuckte Gwrgi. »Du … Freund …«
    »Ja«, beeilte sich Kim zu versichern, »ich bin dein Freund.« Er wusste nicht genau, ob es der Wahrheit entsprach, bei dem, was er vorhatte. »Komm, du musst mir was zeigen. Komm mit. Aber leise, ja? Psst!« Er wies auf die anderen, die schliefen, dann nach oben, die Treppe hinauf. »Komm!«
    Gwrgi, noch halb im Schlaf, rappelte sich auf. Er nahm die Decke, in die er sich gewickelt hatte, und band sie sich um die Schultern. »Kalt«, meinte er und warf einen misstrauischen Blick nach oben, wo der Eingang ein helleres Viereck in der allgemeinen Düsternis bildete.
    »Komm«, sagte Kim, etwas drängender. »Bald geht die Sonne auf. Draußen ist es warm. Komm!«
    Er hielt ihm die Hand hin. Instinktiv legte Gwrgi die seine hinein und folgte ihm.
    Sie schlichen die Stufen hinauf. In der Stube saßen zwei Zwergenwachen; sie wirkten sehr wachsam, aber sie rührten sich nicht. Kim sah, dass sie die Augen geschlossen hielten. Entweder lauschten sie mit Sinnen, die er nicht kannte, in das

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