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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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Eis brach. Das Donnern des kalbenden Gletschers pflanzte sich fort wie eine Welle, in den Tiefen widerhallend, und die Wände verschoben sich gegeneinander, als die Spannungen sich lösten.
    Der Gletscher würde sie zerquetschen, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden. Sofern man bei einem solchen unbegreiflichen Wesen überhaupt von Gedanken sprechen konnte.
    Kim und Aldo hasteten schneller, ihrem Führer nach. Voraus lichtete sich das Eis. Plötzlich platschten sie in Wasser. Der Boden war schlammig, von Kies und Geröll bedeckt. Das eisige Wasser schwappte in ihre Stiefelschäfte. Dann sahen sie voraus eine Öffnung in der blauen Wand. Sie eilten darauf zu. Licht flutete herein; dann öffnete sich über ihnen der Himmel. Die letzten Wolken hatten sich verzogen. Es versprach, ein schöner Tag zu werden.
    Vor ihnen ragte der Fels empor. Doch zuvor galt es noch den Moränenwall zu überwinden. In dieser Höhe war der Schlamm, so ihn nicht das fließende Wasser in Bewegung hielt, zu einer eisigen Masse gefroren. So brauchte es nur wenige Schritte, bis sie auf der Höhe des Kammes standen.
    Vor ihnen erstreckte sich eine Art Hochebene, ein Vorsprung in der Bergwand, der jetzt von der aufgehenden Sonne beschienen wurde. Der Berg selbst lag auf dieser Seite noch im Schatten. Das Tor darin blinkte wie ein riesiges, dunkles Auge.
    Es war kreisrund, sicherlich mehr als zwanzig Ffuß im Durchmesser, nach den Maßen des Ffolks. Bedeckt war es von einer metallenen Blende, die es fugenlos verschloss, und an den Rändern in Metall gefasst, bezeichnet mit unbekannten Glyphen.
    Kim stieg den letzten Teil des Weges hinauf. Immer größer und mächtiger wirkte das Tor. Es sah aus wie nichts, was Kim in seinem Leben oder in Büchern je gesehen hatte – außer dem Tor des Nordens, das er einst mit den anderen Ffolksleuten gegen eine Übermacht von Bolgs und Dunkelelben verteidigt hatte. Damals hatte Herr Gregorin das Tor geöffnet; er war sein Hüter gewesen, getreu dem Auftrag des Meisters. Welche Macht mochte dieses Tor behüten? Wenn es überhaupt einen Hüter gab, in diesem Raum, in dieser Zeit.
    Kim wandte sich zu seinen Begleitern um. »Ich danke euch, dass ihr bis hierhin mit mir gekommen seid – dir für deine Führung, Gwrgi, und dir, Aldo, für deine Begleitung. Aber von hier an muss ich alleine weitergehen.«
    »Das kommt überhaupt nicht infrage«, sagte Aldo, und Gwrgi bekräftigte: »Wir kommen mit.«
    Kim sah sie traurig an. »Das Abenteuer ist hier zu Ende, Freunde. Ich weiß nicht, was mich auf der anderen Seite erwartet. Vielleicht ist es das Ende von allem. Vielleicht ist da nichts mehr.«
    »Aber das ist es doch, was ich immer gewollt habe«, sagte Aldo eifrig. »Der Schritt ins Unbekannte. Und jetzt, wo das Abenteuer erst richtig anfängt, soll ich Euch allein ziehen lassen?« Ehe Kim etwas erwidern konnte, war der junge Ffolksmann schon an das Tor herangetreten. »Wisst Ihr überhaupt, wie man das Ding aufkriegt?«
    Kim lächelte, ein wenig schief. »Ich habe gedacht, ich versuche es vielleicht einmal damit.« Er zog die Hand aus der Tasche. Der Ring des Kustos glänzte daran, der Ring aus den drei Metallen mit dem klaren Stein. Das Sonnenlicht fing sich darin und ließ ihn aufblitzen.
    Kim konzentrierte sich auf das Tor. Öffne dich! , dachte er. Tu dich auf! Zeig mir den Weg!
    Nichts geschah. Weder erzitterte der Fels, noch setzten sich irgendwelche verborgenen Maschinen in Gang. Das Auge aus Metall blieb geschlossen, blinzelnd im ersten Sonnenstrahl, als spottete es über die kleinen Wesen, die es wagten, seine Ruhe zu stören.
    Es konnte nicht sein. Es war nicht möglich. War er etwa den ganzen Weg gegangen, hatte nicht nur sich selbst, sondern auch seine Freunde in Gefahr gebracht, um schließlich unverrichteter Dinge vor einer Tür zu stehen, die sich nicht öffnen ließ?
    Aldo schien Ähnliches gedacht zu haben, denn er sagte: »Da muss es doch irgendwo einen Hebel geben, einen Knopf, den man drücken muss oder so …«
    Gwrgi war dicht an das Tor herangetreten. Mit der flachen Hand schlug er dagegen, dass es hallte. »Aufmachen!«, sagte er.
    Das Tor öffnete sich.
    Zuerst war es nur ein winziger Punkt in der Mitte, ein dunkler Fleck in dem glatten Metall. Dann verbreiterte er sich, wuchs gleichmäßig nach allen Seiten, glitt auseinander wie eine riesige Pupille. Immer noch gab es nicht das geringste Geräusch; das Einzige, was zu hören war, war das Heulen des Windes. Es trug aus der Ferne

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