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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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Landgerät noch ansah. Auch Zwerge waren unter den Angreifern, erkennbar an ihrer untersetzten Statur und ihren kunstvoll geschmiedeten Helmen, die Tieren und Fabelwesen nachgebildet waren: hier ein Eber, da ein Stier, dort der Kopf eines Leviathans und in der Mitte von allen das metallene Haupt eines Drachen, aus dem ein roter Bart wie Feuer lohte.
    Aber die meisten der Krieger in diesem Heer waren Bolgs.
    »Ich fasse es nicht«, sagte Kim. »Bolgs im Heer der freien Völker, und sie kämpfen gegen die Dunkelelben …«
    »Dann hat unser dicker Freund es doch geschafft!«, rief Burin aus. »Lang lebe der Große Bolg!«
    Ehe Kim noch fragen konnte, wer denn der ›Große Bolg‹ sei, musste er auch schon wieder den Kopf einziehen, als eine weitere Feuerkugel herangepfiffen kam und unweit von ihnen einschlug.
    »Wir können hier nicht bleiben«, sagte Fabian. »Wir müssen zu ihnen.«
    Aus seiner kauernden Haltung richtete er sich auf und lief geduckt den Graben entlang. Gilfalas folgte ihm mit leichten Schritten. Burin, obgleich der Kleinste von ihnen, hatte Mühe, sich noch kleiner zu machen. Er war schon einige Schritte gerannt, als er sich umdrehte, um zu sehen, ob Kim ihnen auch folgte.
    Kim stand da wie versteinert.
    In dem Augenblick, als er sich umwandte, war sein Blick auf eine Gestalt gefallen, die leblos auf dem Grunde des Grabens lag. Der Helm, viel zu groß, war ihr vom Kopf gerollt, als sie hingestürzt war. Das helle, struppige Haar klebte ihr am Kopf. Ihre Haut war bleich, viel bleicher, als sie sein dürfte. Ein Blutfaden lief aus ihrem Mundwinkel. Und sie war jung, so entsetzlich jung.
    »Jadi?«
    Plötzlich war alles wieder da: der Traum, die Erinnerung. Es traf ihn mit der Wucht eines Schlages, dass er taumelte. Für einen Augenblick hatte er das Gefühl, alles doppelt zu sehen: die eine Zeitlinie, die in eine ferne, glückliche Zukunft führte, in der die Macht des Schattens besiegt war; und die andere, in der die Schwarzen Legionen herrschten, in der es kein Elderland mehr gab und keine Hoffnung für die Kinder der Mittelreiche. Dann verbanden sich die beiden Erinnerungen in ihm und wurden eins. Doch er spürte, wusste es in diesem einen klaren Augenblick der Erkenntnis, der einem im Leben nur einmal zuteil wird, dass er selbst von nun an zu keiner der beiden Welten mehr gehören, sondern in jeder Zeit immer ein Fremder sein würde.
    Er kniete nieder. Vorsichtig, unendlich vorsichtig nahm er den Kopf des Mädchens und bettete ihn in seinen Arm. Mit der anderen Hand strich er ihr das schweißnasse Haar aus der Stirn.
    Ihre Augenlider flatterten. Die Augen öffneten sich. Die Augäpfel rollten nach oben.
    »Jadi!«
    Eine steile Falte erschien auf der blassen Stirn. Der Blick klärte sich, und sie sah ihn an. »K-kim?«
    »Oh, Jadi, warum bist du hierhergekommen?«
    »Ich … ich …« Sie hustete. Mehr Blut rann aus ihrem Mund. »Du … du warst weg, und … ich wollte nicht bleiben. Ich … wollte kämpfen. Für die Freiheit …« Ihre Hand krallte sich in den Stoff seines Ärmels. »Der Vater … die Mutter … werden sie mir … verzeihen?« Ihr Körper versteifte sich. »Bete …« Der Atem entwich aus ihr, und sie fiel schlaff zurück.
    Kim weinte.
    »Ich werde für dich beten«, sagte er leise, »und sie werden dir verzeihen. Sie werden dir vergelten, was du an Gutem gewollt hast. Irgendwann … irgendwie …« Er konnte nicht mehr sprechen.
    Fabian war bei ihm. Mit einem Blick sah er, was geschehen war. Er legte Kim den Arm um die Schultern. »Komm«, sagte er. »Du kannst ihr nicht mehr helfen. Wir müssen zu den anderen, zur kämpfenden Truppe.«
    Kim blickte zu ihm auf, blind vor Tränen. »Kampf ist keine Lösung«, sagte er. »Aber ich weiß jetzt, was zu tun ist.«
    Durch das Gewirr der Schützengräben fanden sie bald zu dem rauchgeschwärzten Bunker, wo die Armee ihr provisorisches Hauptquartier aufgeschlagen hatte. Herr Bregorin war da; sein Drachenhelm zerdellt und blutbefleckt. Talmond trug eine Art Brigantine, ein Wams aus Leder, mit Metall verstärkt; anscheinend hatte man immer noch keine richtige Rüstung gefunden, die ihm gepasst hätte. Das Schwert aus der elbischen Schmiede hing an seinem Gürtel. Die Heerführer wirkten beide müde und abgekämpft.
    »Da seid Ihr ja wieder«, knurrte Talmond. »Nun, wir können jeden Kämpen brauchen. Obzwar der Wichtel«, führte er mit einem Seitenblick auf Kim hinzu, »wohl kaum einem Schwarzalben widerstehn wird. Hat sich am Feuer

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