Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
Vom Netzwerk:
Augenblick die Oberhand behielt: Zorn und Enttäuschung, Hoffnung und Verzweiflung, Ohnmacht und eine wilde Entschlossenheit.
    Ngong warf sich auf den schlammigen Boden. Er drückte seine Stirn gegen die schlammigen Zehen des Fremdlings. Er konnte das, was er sagen wollte, nicht in Worte fassen, aber es war offensichtlich:
    Du bist stark. Du bist weise. Du bist der Häuptling.
    Hände richteten ihn auf. Er sah in ein Paar helle Augen, in denen Tränen schwammen.
    Der Fremde versuchte, ihm in einfachen Begriffen etwas klarzumachen. Ngong verstand nur einen Teil davon, aber irgendwann in ferner Zukunft, nach vielen Generationen, würde die Saat, die hier gelegt wurde, zur Blüte gelangen.
    Du bist der Häuptling.
    Ich bin der Schamane.
    Ein Ring.
    Ein Licht.
    »An gwarin!«
    Es war die Sprache der Elben, aber es hätte jede andere sein können, denn die Bedeutung war klar.
    Der König!
    Der König kehrt zurück.
    Für diesen Augenblick müsst ihr leben.
    Dann werdet ihr nicht mehr sein.
    Der Häuptling duckte sich. Gib mir ein Zeichen, gab er zu verstehen. Etwas, woran ich mich halten kann. Du sprichst von Tod und Zerstörung, aber die sind allgegenwärtig. Gib mir Hoffnung.
    Der Fremde wühlte in seinen wenigen Habseligkeiten, die er selbst gefertigt hatte. Ein paar zurechtgeschlagene Feuersteine. Eine halb vermoderte Decke. Eine Schlangenhaut mit seltsamen Zeichen darauf.
    Es war die Karte, die ihn hatte führen sollen. Zurück in die Berge. Zurück zu ihr. Aber das war jetzt ohne Bedeutung.
    Ngong deutete mit dem Finger. Gib mir das! Hier. Für den König.
    Dankbar nahm er das Zeichen seiner neuen Würde entgegen. Er würde es hüten wie ein kostbares Kleinod, für den Tag, der irgendwann einmal kommen sollte, ob zu seinen Lebzeiten oder zu Zeiten jener, die nach ihm kamen.
    Die Frau, die als Letzte der Gruppe gefolgt war, drängte nach vorn. Ihr Kind baumelte schlaff zwischen ihren Armen. Sie streckte es vor, hielt es dem Fremden hin. In ihren Augen lag eine unausgesprochene Hoffnung.
    Gwrgi nahm das leblose Bündel entgegen. Er legte sein Ohr an die kleine Brust, suchte nach dem Herzschlag. Nichts war zu spüren. Das Kleine atmete nicht mehr.
    Die Tränen in seinen Augen flossen über, vermischten sich mit dem endlosen Nieselregen, der aus dem Himmel fiel.
    Lebe , betete er. Lebe, Kind!
    Der Sumpfling zuckte in seinen Händen und stieß einen dünnen Schrei aus.

K APITEL XV
DER ACHTE RING
    Nichts hatte sich geändert. Das Ffolksmuseum mit seinen drei Stockwerken, am Sockel gemauerter Stein, darüber die Wände aus Fachwerk und zum krönenden Abschluss die filigran geschnitzten Giebel – alles war so, wie sie es noch vor Augen hatten. Hier an diesem Ort schien es immer Herbst zu sein, der goldene September, wenn die Ernte eingefahren ist, die Scheuer gefüllt. Friedlich lag das Land in den Strahlen der Nachmittagssonne. Friedlich war auch die kleine Gestalt mit den spitzen Ohren und dem braungelockten Haar, die bei den Grabhügeln stand und dort stumme Zwiesprache hielt.
    »Vorsicht«, flüsterte Fabian. »Erschrecken wir ihn nicht.«
    Aber Kimberon Veit hatte mit seinem scharfen Gehör die Worte vernommen. Er wandte sich um, ein wenig schuldbewusst.
    »Oh, hallo, ihr drei!«, sagte er. »Entschuldigt, dass ich mich so davongeschlichen habe. Aber ich musste einfach ans Grab von dem alten Magister Adrion, weil ich ihm sagen wollte, wie glücklich …«
    Er unterbrach sich selbst mitten im Satz. Er runzelte die Stirn.
    »Was ist mit euch? Ihr seht so … verändert aus. Und wieso habt ihr euch umgezogen? Wollt ihr wohin?«
    »Kim«, begann Fabian vorsichtig, »wir kommen von weither.«
    »Aber wieso? Ich habe euch doch noch gerade sitzen sehen, vorm Haus, mit den Kindern!«
    »Den Kindern? «
    »Nun ja, der kleine Talmond ist mit Aldo abgehauen, Fische fangen, und das Elbenmädchen ebenfalls. Aber dein Sohn, Burin, und deine Tochter –«
    »Ich habe einen Sohn?« Burin konnte es nicht fassen. »Einen Sohn! Und eine Tochter! Ich muss sie sehen.«
    Er wollte losstürzen, doch Fabian hielt ihn zurück. »Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee wäre«, sagte er und dann, an Kim gewandt: »Wir sind nicht das, wofür du uns hältst. Wir kommen aus einer anderen Zeit. Ich weiß, es ist schwer zu begreifen, aber wir sind gekommen, um dich zu holen. Wir brauchen dich.«
    Kim stand da mit offenem Mund.
    »Wieso?«
    »Weil dein Ring, der siebente Ring, das Gefüge der Zeit zerstört hat«, erklärte Gilfalas. »Er ist nun

Weitere Kostenlose Bücher