Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
Vom Netzwerk:
Rechten trug er einen knorrigen, gedrehten Eichenstab als Zeichen seiner Amtsgewalt.
    Der Centurio hatte Kims letzte Worte offensichtlich mitgehört. Entsprechend finster war seine Miene. »Verlotterte Truppe, ja? Was ist das für ein Schreiben, von dem du faselst? Zeig’s her.«
    Kim sprang vom Wagen und bedeutete Aldo, ihm zu folgen. Der verknotete die Zügel am Kutschbock und ließ sich ebenfalls auf den schlammigen Grund aus festgestampfter Erde herab. Kim zog den Brustbeutel unter dem Hemd hervor, wo er den Brief des Kaisers aufbewahrte, und förderte das Schreiben zu Tage. Der Centurio riss es ihm aus der Hand.
    Er tat so, als studierte er die Zeilen, aber Kim erkannte mit einer Mischung von Verwunderung und Entsetzen, dass der Centurio das Schreiben auf dem Kopf hielt. Anscheinend konnte der Mann gar nicht lesen. Dafür widmete er umso mehr Aufmerksamkeit dem zerbrochenen Siegel.
    »Hab ich noch nie gesehen!«, sagte er dann. »Was habt ihr in dem Wagen?«
    »Nur persönliche Gegenstände«, erklärte Kim. »Und ein paar Vorräte für die Reise.«
    »Decurio!«, schnaubte der Centurio. »Nachschauen!«
    Einer der beiden Wachen am Tor kam näher und stocherte mit seiner Lanze unter der Wagenplane herum, während Kim dem Ganzen mit wachsendem Zorn zusah.
    »Wie er gesagt hat. Jede Menge Zeug, genug für eine ganze Expedition. Und ein Fresskorb.«
    »Also gut«, sagte der Centurio. »Schafft das Gerumpel ins Zeughaus und sortiert aus, was zu gebrauchen ist. Die Fresssachen kommen in die Küche. Der Wagen wird zu Brennholz verarbeitet, und der Esel kommt in den Stall.«
    »Und was machen wir mit den Jungs hier?«
    Der Centurio zuckte die Schultern. »Schmeißt sie raus!«
    Kims Zorn war zu eiskalter Wut geronnen. »Wir sind keine ›Jungs‹«, sagte er gefährlich leise. »Wir sind eine offizielle Delegation von Elderland, und ich verlange von jedem – ich sage: von jedem – den Respekt, der mir als Mitglied des Rates von Elderland gebührt.« Er schüttelte den Kopf, dass seine sandbraunen Locken flogen.
    Die Augen des Centurio verengten sich. »Komm her!«, sagte er. Kim machte unwillkürlich einen weiteren Schritt auf ihn zu. Der Centurio hob sein Amtszepter und schob damit Kims Haare beiseite. »Interessante Ohren«, bemerkte er. »Da hat sich wohl einer von den Hohen Elben einen Fehltritt erlaubt.« Doch in dem Hohn seiner Stimme schwang ein Anflug von Unsicherheit mit.
    »Wir sind keine Halblinge«, sagte Kim mit fester Stimme. »Wir sind Vertreter des Kleinen Ffolks, und –«
    Der Rest seiner Worte verging in brüllendem Gelächter.
    Nicht nur der Centurio lachte, auch die Wachen vom Tor krümmten sich vor Heiterkeit, und von den Wehrgängen hallte es wie ein Echo wider. Selbst das Hundegekläff, das schrill im hinteren Teil der Festung losbrach, schien in das allgemeine Gelächter mit einzustimmen.
    Kim war sich noch nie so gedemütigt vorgekommen, und Aldo versuchte sich noch kleiner zu machen, als er war.
    »Das ist das Letzte«, sagte der Centurio, während er sich mit dem Handrücken die Tränen der Heiterkeit aus den Augen wischte. »Das ist mir zu hoch. Soll der Legatus sich darum kümmern, wenn er wiederkommt – und das kann dauern.« Er winkte mit seinem Befehlsstab. »Steckt sie in den Kerker!«
    Hinter ihm traten zwei weitere Legionäre aus dem Innern des Gebäudes, und Kim und Aldo erstarrten.
    Die beiden Soldaten trugen die Uniform des Imperiums, Helm und Brustpanzer mit dem Zeichen des silbernen Schädels und der gekreuzten Schwerter, den Insignien jener seltsamen Legion. Aber es waren keine Menschen.
    Es waren Bolgs.
    Kim hatte sein Schwert gezogen, ehe es ihm auch nur bewusst war. Aldo förderte in Gedankenschnelle einen langen Stock vom Kutschbock herbei, und sie stellten sich instinktiv Rücken an Rücken, um ihr Leben so teuer wie möglich zu verkaufen.
    Die Bolgs kamen näher. In ihren breiten, ledrigen Gesichtern unter den Legionärshelmen war nicht die geringste Emotion zu lesen. Es schien sie überhaupt nicht zu kümmern, ob ihre Gefangenen Widerstand leisteten oder nicht. Der eine ließ seine Lanze sausen wie eine Keule: ein Knacken, und Aldo ließ entgeistert den abgebrochenen Rest seines Kampfstocks sinken. Der andere holte zu einem Schlag gegen Kim aus; dieser ließ sich gedankenschnell auf ein Knie fallen und stach mit seinem Kurzschwert nach dem ungeschützten Bein des Gegners. Der brüllte auf, und das Letzte, was Kim sah, war ein genagelter Stiefel, der auf sein Gesicht

Weitere Kostenlose Bücher