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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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man, dachte Kim, in den Augen eines Bolg Gefühle lesen könnte!
    »Pack mit an!«, sagte er zu Aldo. »Wir müssen ihn rauskriegen. Sonst verrät er uns noch alle.«
    Gemeinsam zerrten sie den schweren Körper ins Freie. Der Bolg packte seine Eisenstange und sagte: »Vadite!« Es war ein Befehl, den er offensichtlich gut kannte.
    Abmarsch!
    Im Schatten des Gebäudes bewegten sie sich, die Ffolksleute geduckt, der Bolg halb kriechend, auf die Umfassungsmauer zu. Der Hof lag dunkel und leer da. Immer noch war der Himmel wolkenverhangen, doch im Osten klarte es bereits auf. Nicht lange, und der Morgen würde anbrechen, und sein Licht, das mitleidlos über Gut und Böse leuchtete, würde sie alle verraten.
    Unterhalb der Mauer hatte man behelfsmäßige Schuppen aus Brettern errichtet. Offensichtlich dienten sie zur Unterbringung von Pferden, doch sie waren allesamt leer. Bis auf einen.
    »Alexis!« Aldo unterdrückte den freudigen Aufschrei im letzten Moment.
    »Fleisch!«, sagte der Bolg.
    Der Esel schaute ihn entsetzt an und drängte sich Schutz suchend an Aldo. Offensichtlich hatten ihn die Bolgs der Schwarzen Legion derart in Furcht und Schrecken versetzt, dass er nicht einmal mehr Laut geben konnte.
    »Keine Angst, Alex«, beruhigte ihn Aldo, »er tut dir schon nichts. Komm, wir bringen dich hier raus.«
    »Wie sollen wir ihn hier rausbringen, wenn wir selbst nicht wissen, wie’s rausgeht?«, knurrte Kim.
    Eine grobe Hand verschloss seinen Mund. »Seht!«, machte der Bolg.
    Wieder lauschten sie den Schritten des Wachtpostens, der auf der Mauer seine Runde drehte. Doch hier, wo das Dach des Bretterverschlags einen vor Blicken von oben schützte, konnte er sie nicht sehen.
    Kim warf einen Blick in den Festungshof. Sie befanden sich, wie er vermutet hatte, im hinteren Teil der Anlage, auf der anderen Seite des Hauptgebäudes. Auch hier gab es in der Mitte der Umfassungsmauer ein Tor, welches hinaus in die Sümpfe führte. Die Torflügel waren geschlossen und mit schweren Balken gesichert. Unmöglich, es aufzubrechen, ohne dabei größeres Aufsehen zu erregen.
    »Mitkommen!«, sagte der Bolg.
    Er führte sie durch einen weiteren Stall, an der Mauer entlang. Kim, dessen Augen sich inzwischen auf die Düsternis eingestellt hatten, sah, dass in der Mauer ein dunkleres Viereck gähnte.
    Eine Tür?
    Er erinnerte sich, dass die meisten Außenposten dieser Art einen geheimen Ausgang besaßen, ein Wassertor, das in Zeiten der Belagerung bei Nacht und Nebel als Fluchtweg genutzt werden konnte. Aber diese Tore waren normalerweise verschlossen und gesichert, damit man von außen nicht eindringen konnte. Was nützte ihnen eine Tür, wenn sie keinen Schlüssel dazu besaßen?
    »Schloss«, sagte der Bolg. »Halten!«
    Kim ertastete ein schweres Vorhängeschloss, das durch die beiden Ösen eines eisernen Riegels führte. Er hob es an. Es musste ein ganzes Ffund wiegen, nach den Maßeinheiten des Ffolks.
    Der Bolg hob die Eisenstange, die er mitgeschleppt hatte, und schob sie durch den Bügel des Schlosses. Dann beschwerte er das freie, längere Ende mit seinem ganzen Körpergewicht und drückte nach unten. Ein Knacken, und das Schloss war gesprengt.
    Kraft mal Kraftarm gleich Last mal Lastarm, dachte Kim. So hatte es ihm der alte Magister der Philosophia Naturalis während des Studiums beigebracht. Er hätte nie geglaubt, dass auch ein Bolg dieses Gesetz beherrschte. Wäre es nicht zu dunkel gewesen, um Einzelheiten zu erkennen, er hätte schwören können, dass ihr neu gewonnener Begleiter grinste.
    Vorsichtig schob er die Tür auf und sah sich um.
    Von außen war die Türfläche mit Holzplatten verkleidet, die dem umgebenden Stein so täuschend ähnlich sahen, dass sie niemand aus zwanzig Schritten Entfernung davon hätte unterscheiden können. Näher kam auch kaum jemand heran; denn das Tor führte unmittelbar in den Wassergraben, der die Festung umgab. Und dass sich hier jemand länger aufhalten würde, war auch aus einem anderen Grunde kaum wahrscheinlich: Es stank.
    Es stank bestialisch. Es war nicht nur der faulige Geruch, der immer über den Sümpfen liegt. Nein, die Ausfalltür führte direkt auf die Müllhalde der Festung. Man hatte hier, auf der straßenabgewandten Seite, einfach allen Unrat in den Graben gekippt: Essensreste, zerbrochene Geräte, fauliges Obst und Gemüse und alles, was man nicht mehr brauchen konnte.
    »Da liegen unsere Rucksäcke«, stellte er fest. »Aber die sind bestimmt leer.« Er nahm einen davon

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