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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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Sumpflinge gehaust hatten. Dennoch war es ein unsicheres Land. Hie und da blinkten verborgene Wasserläufe auf, ein falscher Tritt konnte einen in die Tiefe zwingen, und manch ein vermeintlich sicherer Weg mochte an unüberquerbaren Sielen enden.
    Der Bolg grunzte, packte das Seil des Esels fester und rannte los.
    Kim und Aldo warfen sich einen einzigen verzweifelten Blick zu, dann folgten sie ihrem Führer.
    Die Morgensonne schälte sich über den fernen Bergen aus dem blutroten Himmel und ließ die Spitzen der Ausläufer des Sichelgebirges wie schwarzgezackte Zahnstümpfe in den Himmel ragen. Nebelschwaden wanden sich aus den Sümpfen, doch es war zu kalt, und die Sonne hatte nicht genügend Kraft, um sie an sich zu ziehen und zu einer alles verhüllenden Decke zu verweben. Was andererseits auch gut war; denn bei einem Nebel wie am Tag zuvor hätten sie kaum einen Weg durch das Gewirr von Stechginster und Ried gefunden.
    Die Glut der aufgehenden Sonne stach ihnen in die Augen und warf ihre Schatten in langen Bahnen über das Land. So mussten sie ein ideales Ziel für ihre Verfolger abgeben.
    Kim wagte es nicht, einen Blick zurückzuwerfen, doch er hatte keine Zweifel daran, dass die Besatzung jener seltsamen Festung sie nicht einfach würde entkommen lassen. Er konnte sich ausmalen, wie jetzt Soldaten aus ihren Kojen gerissen wurden, sich hastig ihre Kittel überstreiften, mit ungelenken Fingern die Rüstungen festschnallten, nach Helmen und Waffen griffen und noch schlaftrunken in die Helle hinaustaumelten. Befehle wurden gebrüllt. Waffen klirrten. Atem stand in weißen Wolken in der morgenklammen Luft.
    Er war so in seinen Fantasiebildern gefangen, dass er fast in das Hinterteil des Esels hineingelaufen wäre. Der Bolg vor ihnen war stehen geblieben. Er sog den Wind durch die Nase ein; seine Nüstern zitterten wie bei einem Tier, das die Witterung aufnimmt.
    »Da!«, knurrte er und wandte sich in eine andere Richtung, die fast im rechten Winkel von ihrem Pfad abwich. Und schon setzte er sich wieder in Trab, den Esel im Schlepp. Die beiden Ffolksleute rannten hinterher.
    »Bist du sicher«, schnaufte Aldo, »dass er weiß, wohin er läuft?«
    »Nein«, keuchte Kim. Für einen längeren Kommentar fehlte ihm der Atem.
    Jetzt hatte Kim auch Gelegenheit, einen Blick zurück auf die Festung zu werfen. Im Schatten ihrer Mauer sah er Bewegung, das Blinken von Stahl. Sie lassen sich verdammt viel Zeit, dachte er. Sie müssen sich ihrer Sache sehr sicher sein. Oder sie warten noch auf etwas.
    Aber dann löste sich eine Reihe kleinerer Schatten aus dem Schutz des Festungswalls. Nun hatte die Jagd wirklich begonnen.
    Er erinnerte sich an seinen ersten Gedanken, als sich ihnen das Tor in die Freiheit aufgetan hatte und sein Blick auf das noch in Düsternis liegende Land gefallen war:
    Wenn wir den Wald erreichen, haben wir eine Chance.
    Unter seinen Füßen stieg der Boden an. Erste Bäume tauchten an den Seiten des Weges auf. Aber dies waren allenfalls die ersten Vorläufer des Waldes; das rettende Waldesdunkel lag noch weit vor ihnen. Er merkte, wie seine Beine schwerer wurden. Der Schweiß brannte ihm in den Augen. Er stolperte und fiel.
    Im letzten Augenblick riss er seine Hände hoch, um den Sturz abzufangen. Es war mehr ein Reflex als ein bewusster Gedanke, und so schürfte er sich nur die Handflächen und die Knie auf, statt der Länge nach hinzuschlagen. Und doch wäre er in diesem Augenblick am liebsten liegen geblieben; er hatte einen Punkt erreicht, wo ihm alles zu viel wurde. Diese Reise, die als Vergnügungsreise gedacht gewesen war, hatte sich aus irgendwelchen Gründen, die er nicht durchschaute, in einen Albtraum verwandelt. Da hilft es nur, dachte er, die Augen zuzumachen und zu warten, bis der Spuk vorbei ist.
    »Steht auf, Herr Kimberon«, hörte er Aldos Stimme. »Wir müssen weiter!«
    Er schüttelte den Kopf. Auch die Wunde an seiner Stirn hatte wieder zu bluten begonnen; das Blut lief ihm in die Augen. »Ich … kann nicht.«
    Er spürte eine Hand auf seiner Schulter und blickte auf. Durch einen roten Schleier sah er den Bolg, der sich über ihn beugte. Geh, wollte er sagen, lass mich in Frieden, lass mich hier liegen, bis sie kommen und mich holen. Doch er brachte keinen Laut über die Lippen.
    »Horch!«, sagte der Bolg.
    Und da hörte er es auch. Das Heulen von Hunden.
    »Schattenhunde!«
    Erst als er den Hall seiner Stimme hörte, begriff er, dass er das Wort nicht nur gedacht, sondern laut

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