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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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gesprochen hatte. Die Schattenhunde! Die schrecklichsten Diener des Dunklen Feindes. Keine Wesen aus Fleisch und Blut, sondern Verkörperungen dessen, was jeder in seinem Leben am meisten fürchtete. Die Schattenhunde, die einen gnadenlos zu Tode hetzten, wenn sie einmal die Witterung aufgenommen hatten. So wurde es erzählt in den alten Legenden. Aber die Wirklichkeit, wie Kimberon selbst sie erlebt hatte, war weitaus schrecklicher.
    »Keine … Schatten«, sagte der Bolg. »Nur Hunde … die jagen …«
    Doch Kim hörte ihn nicht mehr. Er rannte. Er rannte um sein Leben, rannte um den Rest des bisschen Verstandes, der ihm noch geblieben war. Seine Handflächen und seine aufgeschürften Knie brannten; er achtete nicht darauf. Blut lief ihm in die Augen, schmeckte salzig auf seiner Zunge. Es kümmerte ihn nicht. Er sah seine Arme und Beine, wie sie sich bewegten, doch es war, als beobachte er einen Fremden, mit dem er überhaupt nichts zu tun hatte, einen Läufer, der einem geheimen Rekord nachjagte. Er wusste nicht, wie lange er so rannte. All seine Gedanken, all sein Sinnen und Trachten waren nur darauf ausgerichtet, von dieser Quelle des Schreckens fortzukommen, nur weg, irgendwohin.
    Schatten umgaben ihn, hohe Schatten und kleinere, die mit langen kühlen Fingern nach ihm griffen. Tau benetzte seine Stirn, Blätter streiften seine Haut. Äste und Zweige zerrten an seinen Kleidern, verlangsamten seine Schritte. Irgendwann kam er zum Stehen. Seine Beine und Arme zuckten noch krampfartig, aber er konnte nicht mehr weiterlaufen.
    »Ruhig«, sagte eine Stimme. »Gorbaz hier.«
    Der Bolg war bei ihm. Seine massive Gestalt, schwarz gegen die gefleckte Dunkelheit des Waldes, vermittelte ein Gefühl von Schutz. Ringsum war es still. Kein Laut war zu hören außer dem Säuseln des Windes in den Bäumen.
    »Gorbaz, das ist dein Name, nicht wahr?«, hörte Kim sich sagen. Es verwunderte ihn zutiefst. Nicht nur, dass dieser Bolg sprechen konnte, nein, auch einen eigenen Namen besaß er und damit eine Vorstellung von sich selbst, ein eigenes Ich.
    »Was … dein Name.«
    Wo ein Ich ist, da ist auch ein Du. Damit fängt alles an.
    »Ich bin Kimberon Veit, Kustos des Ffolksmuseums und Mitglied des Rates von Elderland und … nenn mich einfach Kim«, schloss er lahm.
    »Ich Gorbaz«, sagte der Bolg. »Zwanzigste Legion, zwölfte Cohorte, zweiter Manipel.« Es klang wie auswendig gelernt. »Das … war ich«, fügte er hinzu.
    In Kim begann die Neugier wieder überhand zu nehmen. »Was haben sie mit dir gemacht?«, fragte er. »Ich meine, was hast du getan, dass sie dich in den Kerker geworfen haben?«
    Der Blick des Bolgs war schwarz und ausdruckslos. »Meine Kameraden«, grollte er. »Sie haben gewollt … mehr Essen. Der Decurio hat befohlen … dezimieren. Zwei von zwanzig.« Er fuhr sich mit der Hand über die Kehle. Kim erinnerte sich an die beiden frischen Köpfe auf den Pfählen am Eingang der Feste. Jetzt war ihm klar, woher sie stammten.
    »Ich … habe mich geweigert. Gorbaz Soldat, kein Henker«, fuhr der Bolg fort. »Darum sie schlagen mich, werfen mich in Verlies.« Er hob die massigen Schultern, als wollte er sagen: Den Rest weißt du.
    Kim nahm aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahr und fuhr herum. Erleichtert sah er, dass es sein Gefährte war, der zu ihnen aufgeschlossen hatte.
    »Aldo«, sagte er. »Unser Freund hier heißt Gorbaz …«
    »Wir haben keine Zeit«, keuchte Aldo, »für Unterhaltung. Hört ihr denn nicht? Die Hunde …«
    Das Heulen, das vom Blattwerk der Bäume verschluckt worden war, wurde mit einem Mal wieder deutlicher. Doch jetzt erkannte Kim, dass es nicht das Heulen der Geister war, das er gefürchtet hatte, sondern das Kläffen und Jappen ganz gewöhnlicher Hunde. Allerdings, wenn die Hunde sie zu packen kriegten, dann mochte ihr Biss genauso tödlich sein wie der Hauch des Schreckens, den die Schattenhunde verströmten.
    »Weiter«, sagte er. »Wir müssen weiter.« Er versuchte, ein paar Schritte zu machen, aber seine Beine versagten ihm den Dienst, und er wäre erneut gestürzt, wenn Gorbaz ihn nicht aufgefangen hätte.
    »Herr Kimberon kann nicht mehr laufen«, meinte Aldo.
    »Es geht schon«, sagte Kim. »Es muss.«
    Während er sich humpelnd wieder in Bewegung setzte und sein Körper bei jedem Schritt schrie, war sein Kopf jetzt wieder klar. »Wie kommt es, dass du unsere Sprache sprichst?«, fragte er im Laufen den Bolg. »Wer hat sie dich gelehrt?«
    Gorbaz schien nicht ganz zu

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