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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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auf und schlang ihn sich über die Schulter. Irgendein harter Gegenstand war darin, aber Kim hatte keine Zeit, sich darum zu kümmern. »Und dort: Frau Metas Kochtöpfe und Utensilien. Alles nicht mehr zu gebrauchen.« Es schien ihm Jahre her zu sein, seit er bei der Gutsfrau in der Küche gesessen und sich mit ihrem guten Eintopf den Bauch vollgeschlagen hatte. Allerdings kam ihm bei dem Gestank allein bei dem Gedanken an Essen die Galle hoch. Da sah er noch etwas blinken. »Knipper!« Er hangelte sich hinüber und fischte das kleine Schwert aus dem Dreck. Auch dafür hatte man anscheinend keine Verwendung gehabt. Das sollten sie, schwor er sich, noch bereuen!
    Hinter ihm tauchten der Bolg und Aldo auf, der den Esel an einem Strick führte. Der Esel scheute, als ihn der Gestank traf, aber Aldo hielt ihm schnell das Maul zu. »Geduld!«, flüsterte er. »Geduld, mein Kleiner! Bald sind wir von hier weg.«
    Über dem Sumpf rötete sich bereits der Himmel, und die Morgendämmerung warf lange Schatten über das Land. Kim sah, dass sie sich bereits in den Randgebieten des Sumpfgeländes befanden; in etwa tausend Ffuß Entfernung begann der Wald, und dahinter erhoben sich die schroffen Felsen des Sporns, des südlichsten Ausläufers des Sichelgebirges. Wenn sie erst einmal dort waren, konnten sie sich verstecken.
    Aber was half es? Wohin sollten sie nun gehen?
    »Wohin gehen?«, fragte der Bolg, als hätte er Kims Gedanken gelesen.
    »Zur Hauptstadt«, sagte Kim. »Zum Kaiser. Verstehst du?«, fügte er hinzu, als der Bolg ihn verständnislos ansah. »Kaiser. Imperius Rex. «
    Der Bolg wich zurück. In seinem Gesicht lag nun wirkliches, unverkennbares Entsetzen.
    »Nein«, sagte er. »Gorbaz geht nicht … dorthin!« Er zeigte nach Norden.
    »Nein, du Idiot! Nach Magna Aureolis! Dort! Durch das Zerbrochene Land, und dann südwärts …«
    Unwillkürlich hatten sie ihre Stimmen erhoben. Erst ein Geräusch von oben auf der Mauer erinnerte sie wieder daran, in welch gefährlicher Lage sie sich immer noch befanden.
    »He, was soll der Lärm? Wer ist da?« Ein Wachtposten, in Helm und Rüstung, schob seinen Kopf über die Mauerkrone. »Alarum! Die Gefangenen sind entflohen!«
    Verdammt! Kim wusste nicht, ob er das Wort nur gedacht oder laut ausgesprochen hatte. Worte tragen weit in der Nacht, erinnerte er sich, und über dem Wasser besonders. Er hatte schon gedacht, sie seien frei. Jetzt würde die Jagd beginnen.
    Das Wasser des Grabens war tintig schwarz. Wer mochte ahnen, was an seinem Grunde lauerte? Aber sie hatten keine Wahl.
    »Los!« Der Bolg platschte als Erster voran. Das Wasser ging ihm nur bis zur Hüfte; der Graben schien hier zum Glück nicht so tief zu sein, dass sie schwimmen mussten. Aldo gab dem Esel einen aufmunternden Klaps. »Komm, Alex!«
    Alex grub die Hufe in den schlammigen Boden und weigerte sich, auch nur einen Innch von der Stelle zu gehen.
    »Er will nicht!« In Kims Stimme schwang ein Anflug von Hysterie. Ausgerechnet jetzt musste dieser verdammte Esel sich störrisch stellen. Es konnte Ewigkeiten dauern, bis er sich zum Weitergehen bequemte.
    Hinter ihnen in der Festung flammte der Schein von Fackeln auf.
    »Wir können ihn nicht einfach hierlassen«, zischte Aldo mit unterdrückter Stimme. »Wenn die Bolgs ihn finden, fressen sie ihn auf.«
    Der Bolg, der den Graben schon halb durchquert hatte, wandte sich wie auf ein Stichwort um. Das gelbliche Weiß seiner Augen und Zähne glänzte im Dämmerlicht. Mit einem Blick hatte er die Lage erfasst. Zwei, drei lange Schritte durch die schwarzen, schlammigen Fluten, und er war heran. Mit einer groben Faust packte er den Strick des Esels und riss das Tier einfach mit sich.
    Alex würgte und spuckte, aber gegen die brutale Kraft des Bolgs hatte er nicht die geringste Chance. Vor die Wahl gestellt, seinen Willen durchzusetzen oder elendig zu ersticken, zog er das gefährliche Leben dem sicheren Tod vor und folgte seinem Wärter durch den Graben.
    Kim und Aldo platschten hinterher. Ihnen ging das Wasser bis zum Hals, und so mussten sie sich halb schwimmend, halb laufend vorankämpfen. Der Schlamm saugte bei jedem Schritt an ihren Füßen. Endlich hatten sie den Rand des Grabens erreicht und kletterten völlig durchnässt die Uferbank hoch.
    »Wohin jetzt?«, keuchte Kim. Er hätte sich die Frage sparen können.
    Vor ihnen erstreckte sich das Moor. Hier, im Süden des ausgedehnten Marschlandes, war der Boden trockener als in den Gebieten, wo einstmals die

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