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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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oder in der Tiefe eines Waldes. Man hatte das Gefühl, zugleich im Inneren eines Gebäudes und im Freien zu sein.
    Ein zweites Tor, das den Weg ins Innere verwehrte, wurde von unsichtbaren Händen geöffnet, und neue Ausblicke taten sich auf. Mit jedem weiteren Schritt verschoben sich die Blickwinkel, fügten sich geometrische Formen, die sich aus der reinen Vielfalt der Natur ergaben, zu neuen Harmonien. Es war, als sei in den Proportionen, die sich aus Licht und Luft und lebendem Gebälk ergaben, etwas von dem großen Regelwerk der Welt eingefangen, das sich dem Geist unmittelbar erschloss, aber sich nicht in Worte fassen ließ. Und dennoch …
    »Zu klein«, knurrte Gorbaz.
    Kim wandte sich um. Die massige Gestalt des Bolg füllte den äußeren Eingang. Seine breiten Schultern streiften fast die Pfosten zur Rechten und zur Linken, sodass sein ungeschlachter Körper das Licht aussperrte, ein schattenhafter Klotz, ein schwarzer Schandfleck in dieser reinen Harmonie. Nein, dieses Haus war nicht für einen Bolg geschaffen.
    »Er hat irgendwie recht«, sagte da Aldo, der, kaum zu erkennen, in Gorbaz’ Schatten stand. »Es wirkt so … als müsste es in Wirklichkeit viel größer sein. Wie bei einer Puppenstube …«
    »Deine Freunde haben eine scharfe Beobachtungsgabe, Kimberon Veit«, erklang eine andere Stimme, klar und hell und seltsam vertraut. »Denn dies ist nur das Abbild des verlorenen Selenthoril, welches der Hohe Elbenfürst einst schuf, um in den Mittelreichen eine letzte Erinnerung an die Überwelt zu erhalten.«
    Kim hatte sich bereits wieder umgedreht. Vor ihm hatte sich ein drittes Portal geöffnet, das den Blick freigab in eine innere, kreisrunde Halle, über der sich die Kronen der Bäume zu einer Kuppel neigten, von einer Laterne gekrönt. Im Zentrum des Raumes standen zwei Throne, reich geschnitzt mit Fialen und mit Krabben aus Blattwerk verziert.
    Auf den Thronen saß ein Paar, gekleidet in schimmernde Gewänder. Ihr Haar war hell wie die Sonne, und sie trugen Kronen auf ihren Häuptern, die seine aus grünen und goldenen Blättern gewirkt, die ihre aus weißen Lilien, mit silbernen Fäden durchwirkt. Licht flutete herein, und einen Augenblick lang glaubte Kim in den beiden den jungen Gott und seine Herrin, die Braut, zu sehen, strahlend im Anbeginn der Zeit.
    Doch bereits während er in die Helle des Saales stolperte, wusste er, dass es nur eine Illusion war, wenn auch ein Abbild der Wahrheit. Denn nun erkannte er, wer dort thronte, oder zumindest einen davon, den mit der Blattkrone, der nun sein Kinn auf eine Hand stützte, an der ein Ring mit einem blauen Stein blitzte.
    »Gilfalas!«
    Der Elbe stand mit einer fließenden Bewegung auf und trat ihm entgegen. »Willkommen, Kim«, sagte er. »Und drei Mal willkommen der Hoffnung wegen, die du bringst und deine Gefährten. Willst du sie mir nicht vorstellen?«
    Kim wusste nicht, wie ihm geschah.
    »Das … das hier ist Aldo, mein Begleiter aus Elderland, und der hier ist Gorbaz. Ein Bolg«, erklärte er überflüssigerweise und fügte trotzig hinzu: »Ohne ihn wären wir jetzt nicht hier.«
    Galdor, der ihnen gefolgt war, drängte sich nun nach vorn und ließ sich auf ein Knie fallen. »Mein Herr, Ihr werdet es nicht zulassen, dass dieses Gezücht Eure heilige Stätte besudelt. Bei der Treue, die ich Eurem Vater geschworen habe, ersuche ich Euch, diesem … diesem Ding ein Ende zu setzen.«
    Eine steile Falte erschien auf Gilfalas’ Stirn.
    »Ich bin hier der König«, sagte er, etwas schärfer als zuvor. »Wenn mein Freund sich für ihn verbürgt, dann genügt mir das – und es sollte auch dir genügen.«
    Aber Galdor ließ sich nicht beschwichtigen. »Dieser Halbling? Dieses Geschöpf aus dem Reich der Legenden? Aus einem Land, von dem die Mütter der Menschenkinder singen, wenn ihre Bälger nicht schlafen wollen.« Seine Stimme triefte vor Hohn:
    »Flieg, Käfer, flieg,
Dein Vater ist im Krieg.
Dein Vater ist in Elderland,
Und Elderland ist unbekannt …
    Herr«, fuhr er fort, »dies ist wie ein Traum, ein Schatten von dem, was niemals war. Noch gibt es Licht an diesem Ort. Lasst nicht zu, dass es erlischt. Oder ich schwöre Euch, ich werde es verhindern, mit dieser Klinge …« Hell blitzte ein Schwert auf, eine Mondsichel aus Stahl.
    »Genug!« Fabian war dazwischengetreten. Sein Schwert kreuzte die Klinge des Elben.
    »Ja, genug«, sagte da eine andere Stimme, klar und hell wie Glockenklang. Die Elbenmaid war hinzugetreten, von allen

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