Die Herren der Zeit
Eine Ring! Kim sah ihn deutlich vor sich, wie er an der Hand Ithúriëls glänzte. War das vielleicht der Grund gewesen, weshalb der Hohe Elbenfürst …
»Wir müssen herausfinden, an welchem entscheidenden Punkt sich die Geschichte geändert hat«, sagte er fest. »Denn auch ich weigere mich zu glauben, dass wir nur durch eine Laune des Schicksals hier zusammengeführt worden sind. Das ist die Macht meines Ringes: einen jeden an den Ort zu bringen, wo er am meisten gebraucht wird. So hat es mir der verstorbene Magister Adrion gesagt.«
»Aber wer kann uns sagen, wohin wir uns wenden sollen?«, fragte Fabian.
»Er weiß«, kam Gorbaz’ raue Stimme aus den Gewölben. Der Bolg hatte in den tiefen Schatten unter der Treppe Wache gehalten. Jetzt kam er hervor, mit einem zappelnden Bündel in der Faust.
»Ich … ich weiß gar nichts«, stammelte der kleine Magister. Er hatte sich, wie es den Anschein hatte, heimlich die Treppe hinuntergeschlichen, um zu sehen, was aus seiner kostbaren Bibliothek geworden war, und war dabei dem Bolg direkt in die Arme gelaufen.
»Magister Queribus Thrax«, seufzte Fabian. »Euch können wir hier wirklich nicht gebrauchen.«
Kim fielen fast die Augen aus dem Kopf.
»Queribus Thrax? Thrax der Ketzer? Autor der legendären Sacra Theoria Mundorum , die angeblich in den geheimen Archiven der Universität aufbewahrt wird? Erinnerst du dich nicht daran, Fabian?«
Fabian runzelte die Stirn. »Ja, da war doch was.« Er schüttelte den Kopf. »Es ist alles so verschwommen, jene andere Erinnerung. Aber … das war doch im letzten Jahrhundert, oder nicht? Dieser Queribus Thrax, von dem du sprichst …«
»… ist seit vielen Jahren tot«, vollendete Burin.
»Also … also, ich bin nicht tot!«, ereiferte sich der kleine Mann. »Und ich bin auch kein Ketzer. Und ich habe auch keine große Theorie geschrieben, nur ein kleines Büchlein … und die dunklen Herren des Collegium Arcanum haben gesagt, es sei harmlos, und haben es in die Schwarze Bibliothek gestellt. Es waren nur ein paar Legenden, die ich gesammelt habe, über das kleine Ffolk …«
»Bin ich eine Legende?« Kim schob sein Wuschelhaar zurück, dass seine spitzen Ohren zum Vorschein kamen. »Habt Ihr so was schon mal gesehen, Magister? Zwerge und Elben, die gibt es, ja? Und Bolgs, an die glaubt Ihr auch. Aber das Ffolk, das gibt es nur in den Märchen …!«
Er war so wütend wie lange nicht mehr. Der Magister wusste nicht, was er sagen sollte.
Kim kam plötzlich eine Idee. »Also, wenn Ihr mir nicht glaubt, dann habe ich vielleicht noch einen anderen Beweis.« Er streifte sich seinen Rucksack von den Schultern und nestelte an der Verschnürung. »Ich habe da nämlich ein Buch –«
»Psst!«, kam es von oben. »Seid still! Wachen!«
Kim erstarrte in der Bewegung. Ithúriëls Gesicht tauchte am Treppenabsatz auf. Oben kämpfte Aldo mit dem Esel. »Ruhig, Alex!«, zischte er.
Schwere Schläge pochten gegen die Eingangstür.
»Aufmachen!« Eine raue Stimme, die ebenso einem Bolg wie einem menschlichen Soldaten gehören konnte.
Magister Queribus wand sich, aber der Griff des Bolgs ließ nicht nach, und ein Blick aus Gorbaz’ Augen ließ einen Gedanken an Widerstand gar nicht erst aufkommen.
»Da ist keiner!«, kam eine zweite, gedämpfte Stimme von draußen.
»Aber ich habe doch was gehört! Und da ist Licht!«
»Umstellt das Haus!« Eine dritte Stimme. »Und dann brecht die Tür auf.«
Fabian brachte seinen Mund an Magister Queribus’ Ohr. »Gibt es einen geheimen Ausgang?«
Der Magister schüttelte den Kopf.
»Dann rauf mit Euch. Ihr müsst sie irgendwie ablenken.«
Der Magister erblasste. »D-das kann ich nicht …«
Ein Wink Fabians an Gorbaz. Der Bolg fackelte nicht lange. Wie eine Puppe hob er den kleinen Mann am ausgestreckten Arm hoch und trug ihn vor sich her, die Treppe hinauf. Sie hörten, wie oben der Laden der Tür aufgeklappt wurde. In der Stille war jedes Wort deutlich zu verstehen.
»Äh … guten Abend, die Herren.«
»Da ist ja doch wer! Was treibst du hier noch so spät?«
»Ich … ich habe gearbeitet. Womit kann ich den Herren dienen?«
»Wir suchen drei Männer. Einen Menschen, einen Elben, einen Zwerg. Und ein Kind, oder so was Ähnliches. Hast du sie gesehen?«
»Nein … niemand.« Die Stimme des Magisters klang gepresst. »Ich bin nur ein kleiner Scholar, ich habe nichts getan. Nichts gesehen. Nur meine Bücher, und … Ihr könnt hereinkommen, aber … aber es ist nicht aufgeräumt
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