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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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ein tiefer Bass. »Wurde auch Zeit.«
    Kim und Fabian sahen sich an. Dann trat Fabian entschlossen vor und stemmte die Tür auf.
    »Ich bin schon seit zwei Tagen hier«, kam es von drinnen. »Wo habt ihr so lange gesteckt?«
    »Bu-Burin?«
    »Habt ihr jemand anderen erwartet?«
    Ihr alter Studienkollege stand in einem Haufen von Büchern und Schriftrollen. Das rote, krause Haar stand ihm vom Kopf ab; selbst sein Bart war gesträubt. Sein Gesicht und seine dicken Unterarme glänzten vor Schweiß im Licht der Öllampen, die er überall aufgestellt hatte, um den niedrigen Raum zu erleuchten, und in der roten Glut des Rings, der an seinem Finger steckte. Der Zwerg war offensichtlich nicht in bester Stimmung.
    »Aber … was tust du hier?«, stammelte Kim.
    »Das siehst du doch.« Burin riss ein Blatt aus einem dicken Wälzer und schleuderte das Buch in die nächste Ecke. »Ich recherchiere.«
    Auf dem Boden ausgebreitet lagen Seiten aus Büchern und Teile von Dokumenten und Urkunden, teils einzeln, teils zu Haufen geschichtet. In den Ecken des Gewölbes häuften sich in wildem Durcheinander die Reste der Folianten, die Burin ausgeschlachtet hatte. Kim, der mit einer Liebe zu Büchern aufgewachsen war, drehte es den Magen um.
    »Burin, du kannst doch nicht …«
    »Oh, ich kann.« In seinen Augen funkelte ein irres Feuer. »Verstehst du denn nicht? Vor drei Tagen, als du deinen Ring in Kraft gesetzt hast, Kim, da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Mein ganzes Leben, Kim, in den Hallen von Inziladûn, nur ein Hohn, eine Illusion. Sie haben mir Marina weggenommen!« In seiner Stimme lag eine so abgrundtiefe Erschöpfung, dass Kim erkannte: Es war nicht Wahnsinn, der seinen Freund befallen hatte, es war Trauer – und ohnmächtige Wut.
    Natürlich! Wenn es das ganze Ffolk nicht mehr gab, war auch Marina nie existent gewesen – die Ffolksfrau, die Burin geehelicht hatte.
    »Ich weiß, dass es nur ein geringer Trost ist«, sagte Gilfalas, der hinzugetreten war, »aber ich sage dir, sie ist noch nicht verloren. Es gibt sie noch, im Geiste des Göttlichen Paares, das ihr Zwerge den Meister und die Meisterin nennt.«
    »Darum geht es nicht«, gab Burin zurück. »Die Zeit läuft uns davon. Kommt her und schaut, was ich herausgefunden habe.« Er hielt das Blatt hoch, das er aus dem Buch herausgerissen hatte. »Hier, Kim, kommt dir das nicht auch seltsam vor?«
    Kim nahm die Seite und las:
    In uralten Zeiten schuf der Elbenfürst
sechs Ringe der Macht.
Drei gab er den Menschenkindern, dass die Schatten
der Mittelreiche sie nicht überwältigen.
Zwei halten die Zwergenmeister verborgen, um das
Dunkel der Untererde zu bannen.
Einen hütet der hohe Elbenfürst selbst, gegen den Tag,
da die Überwelt fällt.
Der siebente Ring ist nicht mehr als eine Hoffnung.
Und den achten Ring hat es nie gegeben.
    Er ließ das Blatt sinken. »Das klingt wie der Spruch, den uns Magister Adrion einst lehrte. Aber der Wortlaut ist seltsam verändert. Und von einem achten Ring war niemals die Rede.« Er wusste nicht, was er davon halten sollte.
    Aber Burin war noch nicht am Ende: »Für dich habe ich auch was, Fabian, denn es betrifft deine Familie. Siehst du diese Ahnentafel hier?«
    Er wies auf ein altersfleckiges Pergament, auf dem in verblasster Tinte eine Reihe von Namen aufgelistet war.
    Fabian nahm es auf. Die Schrift am Anfang der Rolle war von einer altertümlichen Form, Stämmen mit Ästen gleich, und mit ungelenker Hand geschrieben. Mit gerunzelter Stirn begann er zu lesen:
    STAMM-ROLLE DERER HERREN VON THURION
VON DENEN ANFÄNGEN BIS INS LEZTE GLIED
    ALEXIS DER STARCKE, FREYBAUER VON THURN
JOHANES DER BEHÆNDE, SEYN SOHN
ALEXIOS, DESZEN SOHN, OHNE NACHKUNFFT
MANUEL, DESZEN BRUDER, GENANT DUKAS,
HERR VON THURN
ALEXIAN VNDT ANGELOS, DESZEN SŒHNE …
    Und so ging es weiter, bis hin zu den Anfängen des Imperiums, wo die Schrift ebenso wie die Sprache wechselte; nun waren es die Zeichen der Capitalis aus der Frühzeit des Reiches, und der Text war in der Lingua Imperii abgefasst:
    … T ALMVNDVS P OTENS , E QVES T HVRIONIS , D VX B ELLORVM . E LMVNDVS M AGNVS , FILIVS EIVS , C OMES T HVRIONIS ,
    I MPERIVS R EX PER ACCLAMATIONEM EXERCITVS . J VLIANVS J VSTVS , D VX A VREOLIS , I MPERIVS R EX ,
    D ESCENDIT SINE P ROGENIO . A LEXIS IJ. A LBANVS , FRATER EIVS , D VX T HVRIONIS , I MPERIVS R EX ELECTVS …
    »Schneller, schneller«, drängte Burin. »Halt dich nicht auf«
    Die Rolle führte weiter in der schier endlosen Genealogie der

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