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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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herrschte eine emsige Tätigkeit, aber nirgendwo hörte man ein Lachen oder einen Scherz. Es gab nur gebrüllte Befehle in der harschen Sprache der Bolgs und Peitschenknallen, und die Gesichter der Arbeiter wirkten abgestumpft und leer. Die einzige Veränderung in der mechanischen Arbeit gab es dann, wenn einer der Dunkelelben seine Runde machte; dann schob sich eine Welle des Schweigens vor ihm her, die hinter ihm rasch wieder verebbte.
    »Sind das jetzt Bolgs oder Menschen?«, fragte Kim mit einem Blick auf die Arbeiter.
    Die Aufseher waren massive, vierschrötige Gestalten in Lamellenpanzern und den schwarzen Waffenröcken des Dunklen Imperiums. Die Arbeiter selbst dagegen …
    »Schwer zu sagen«, meinte Fabian. »Es könnten mal Bolgs werden, in mehreren Generationen. Die wirklichen Menschen siehst du dort.«
    Er deutete auf eine Stelle, wo ein Teil der Mauer zusammengebrochen war, so dass die Quadersteine sich wie eine Felslawine hinab zur nächsten Ebene ergossen. Dort arbeitete eine Kolonne von Klopfern. Ihre Kleidung war so grau wie ihre Haare und ihre Gesichter, von Steinstaub überzogen, der sich in jede Faser des Gewebes, jede Pore der Haut setzte. Die Männer waren ausgemergelte Gestalten, die kaum in der Lage zu sein schienen, die schweren Steine zu heben. Und schlimmer noch, es waren auch Frauen darunter, die ebenfalls Steine schleppten, und selbst halbwüchsige Kinder, die mit Schlägel und Meißel dabei waren, die herausgefallenen Quader vom Mörtel zu befreien.
    Fabian schaute sich hastig um. Weit und breit kein Aufseher zu erkennen. »Los«, sagte er. »Dort runter. Bei denen fallen wir am wenigsten auf. Und vielleicht erfahren wir dort, was hier vor sich geht.«
    Sie bewältigten den Abhang mehr rutschend als kletternd, in einer Staubwolke. Weitere Steine gingen zu Tal. Die Arbeiter blickten auf, als sie die Störung bemerkten, wandten dann aber rasch wieder den Blick ab, als wollten sie damit nichts zu tun haben. Ihre Arbeit unterbrachen sie dabei keinen Augenblick.
    Als Kim und Fabian bei den Steinklopfern anlangten, waren sie fast schon ebenso mit grauem Staub bepudert wie diese.
    »Komm, ich helfe dir«, sagte Fabian zu einem der Arbeiter, einem alten, ausgemergelten Mann, der unter der Last eines Quaders schwankte, als müsse er jeden Moment hinfallen.
    »Ssst! Nicht sprechen!«, raunte dieser, nahm die Hilfe aber dennoch an.
    So sah sich Fabian alsbald als ein Glied in einer Kette von Schleppern, die den Frauen einen Stein nach dem anderen weiterreichten, welche diese auf einen Karren schichteten. Vor den Karren waren zwei Esel gespannt, die mit rot entzündeten Augen geduldig darauf warteten, die nächste Fracht zu befördern. Kim nahm sie unwillkürlich in Augenschein, als fürchtete er, Alexis unter ihnen zu finden; doch es waren zwei ganz gewöhnliche Tiere, grau in der allgemeinen Graue, und so hager, dass man die Rippen zählen konnte.
    Kim gesellte sich zu den Jugendlichen, die dasaßen und Steine klopften. Es waren armselige Gestalten; ihre Kittel waren zerlumpt, und durch die Löcher konnte man die Rippen zählen. Zu seinem Entsetzen stellte Kim fest, dass nicht nur Jungen darunter waren, sondern auch Mädchen. Mit den gleichen strähnig-stumpfen Haaren, die zu denselben struppigen Frisuren geschnitten worden waren, waren sie von ihren männlichen Leidensgefährten auf den ersten Blick kaum zu unterscheiden. Kim ging zu einer von ihnen hin, die mit letzter Kraft auf einen schweren Stein einhämmerte, und nahm ihr Schlägel und Meißel aus der Hand. Dankbar lächelte sie ihn an, aber es lag eine solche Erschöpfung in diesem Lächeln, dass er hätte weinen können.
    Bald stellte er fest, dass es keine so gute Idee gewesen war. Obwohl die Schwellung seiner rechten Hand etwas zurückgegangen war, waren die Finger immer noch so dick, dass er Mühe hatte, den Stiel des Hammers zu packen. Die Steine waren scharfkantig, und die Mörtelbrocken flogen in Splittern. Bald bluteten seine Hände aus mehreren kleinen Wunden. Seine Anstrengungen erlahmten, doch daran, zwischendurch eine Arbeitspause einzulegen, war offensichtlich nicht gedacht.
    Als einer der anderen sah, dass er langsamer wurde, kam er wortlos herbei und übernahm seine Stelle. Mit einem Wink schickte er Kim zu einer anderen Gruppe, die den Schutt in Körben wegräumte. Kim schulterte die Last, wobei ihm fast die Knie einknickten. Jetzt rächte es sich, dass er immer lieber über den Büchern gesessen hatte, statt etwas für die

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