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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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rennen.
    »Musste das sein, Fabian?«, fragte Kim im Laufen. »Das mit dem ›Folgen!‹?«
    Fabian machte ein unglückliches Gesicht. »Es war das einzige Bolg-Wort, an das ich mich noch erinnerte. War wohl ein Tick zu viel, was?«
    Hinter ihnen riefen die Wachen: »Wachen! Wachen!«
    Von irgendwo weiter unten gab es Bewegung. Kim wagte einen Blick über die Brüstung. Was er sah, ließ ihn erschaudern. Da kam nicht nur ein Trupp von bolgähnlichen Kriegern; nein, bei ihnen waren auch ein paar hochgewachsene Gestalten in schwarzen Rüstungen. Ihre Panzer glänzten wie die harte Schale von Insekten, zu vielfachen unregelmäßigen Schuppen zusammengesetzt, die sich dem Körper perfekt anpassten. Dunkelelben waren es, Ritter der Finsternis, keine willenlosen Kriegersklaven, sondern deren Herren, die hier die Befehle gaben.
    »Wir müssen uns verstecken«, sagte Kim. »Hier lang!«
    Entlang der Mauer zog sich ein teils überdachter Wehrgang, der hier und da in Pechnasen auslief, vorkragenden Erkern, durch deren Öffnung man Pech und siedendes Öl auf den etwaigen Angreifer herunterregnen lassen konnte. Kim tauchte in eine dieser Anlagen ab, und Fabian folgte ihm. Keinen Augenblick zu früh, denn schon hörten sie den Marschtritt der heranrückenden Rotte. Aus ihrem Versteck folgten sie dem Vorbeimarsch. Im Gegensatz zu den Soldaten gaben die Dunkelelben keinen Laut von sich. Ihre Gesichter waren, wenn auch auf eine andere Weise, ebenso verschlossen wie die ihrer Kriegssklaven. Kein Gefühl, so erschien es Kim, lag darin, außer dem unbedingten Willen zur Macht.
    »Und wohin jetzt?«, flüsterte Fabian. »Hier können wir nicht bleiben.«
    Kim deutete auf den Boden. Die Pechnase war mit einer Luke aus Holz verschlossen. Das Holz war noch frisch, obwohl es hier der Witterung ausgesetzt war; ob ein Zauber darauf lag oder ob es sich noch nicht so lange hier an Ort und Stelle befand …? Er dachte den Gedanken nicht zu Ende. Es war keine Zeit dafür. Gemeinsam stemmten sie die Luke auf. Darunter ging es fast lotrecht zehn Ffuß in die Tiefe.
    »Ich geh vor«, sagte Fabian. »Ich kann klettern – nicht so gut wie Burin, aber es dürfte reichen.« Er zwängte sich durch die Öffnung.
    Die Mauer war aus großen Quadern aufgeschichtet, ein zyklopisches Mauerwerk, das Händen und Füßen genügend Halt bot, wenn man Zeit und Muße hatte, auf jeden Griff zu achten. Unter den gegebenen Umständen war es ein gefährliches Unterfangen; denn jeden Augenblick konnten die Dunkelelben, von den genarrten Wachen auf ihre Fährte gebracht, zurückkehren, mitsamt ihrem Gefolge.
    »Ich bin unten«, rief Fabian mit unterdrückter Stimme herauf. »Komm!«
    Kim wurde plötzlich bewusst, dass er eigentlich nie viel von Höhen gehalten hatte. Das Ffolk hielt sich lieber in Bodennähe auf, und wenn er auch als junger Spund so manchen Kirsch- oder Apfelbaum in Nachbars Garten erklettert hatte, schwindelte ihn doch, als er die Wand hinunterblickte. Von oben erschien sie tückisch glatt und fugenlos.
    Doch anscheinend blieb er zum Klettern verurteilt. Erst in der Nacht die Außenwand der Bibliothek empor. Jetzt den Festungswall hinunter. Nun, es gab wohl keine andere Wahl. Also ließ auch er sich durch die Lukenöffnung rutschen und machte sich an den Abstieg.
    Von oben hörte er Schritte. Seine rechte Hand, die immer noch schmerzte, verfehlte die Ritze, nach der er suchte. Nur noch an den Fingern der Linken hängend, spürte er, wie die Kraft ihn verließ. Er geriet ins Rutschen.
    Und fiel.
    Starke, hilfreiche Arme fingen ihn auf.
    »Ich bin da, Kim«, sagte Fabian. »Ich halte dich.«
    Kim öffnete die Augen, die er vor Schreck zugemacht hatte. Fabian setzte ihn behutsam auf dem Boden ab. »Gut, dass du so klein und leicht bist«, meinte er.
    Kim gönnte sich nicht die Atempause, zu verschnaufen. »Danke«, sagte er nur. »Wir müssen weiter! Los!«
    Hier gab es mehr Möglichkeiten, Deckung zu finden: herumstehende Fässer, Bauholz, Paletten mit grob behauenen Steinen. Obwohl sie sich erst anderthalb Stufen unterhalb der Zitadelle befanden und dies ein reiner Militärbereich war, in dem es von Soldaten wimmelte, waren die Bauten hier offensichtlich noch in einem unfertigen Stadium. Je weiter Fabian und Kim vordrangen, umso mehr verstärkte sich die Bautätigkeit. Trupps, Sträflingen gleich, von Aufsehern mit Peitschen begleitet, schleppten Steine, klopften sie zurecht und reichten sie zu anderen hinauf, die auf den Gerüsten arbeiteten. Überall

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