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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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Leibesertüchtigung zu tun.
    Die Zeit dehnte sich endlos, bis irgendwann, die Sonne stand schon hoch am Himmel, ein blecherner Gong ertönte und alle ihre Arbeit fallen ließen, wo sie standen. Aus dem Torbogen, der zum nächstniederen Teil der Festung führte, traten zwei Männer mit einem Kessel. Es waren kräftige Gestalten, stärker und massiver gebaut als die armseligen Bauarbeiter, doch mit jenem geistlosstumpfen Ausdruck im Gesicht, den Kim bislang nur an den Bolgs kannte.
    Die Arbeiter stellten sich in einer langen Reihe an. Sie taten es, ohne zu drängeln oder zu schubsen; anscheinend waren sie dazu viel zu müde. Kim mischte sich dazwischen. Erst als die Reihe fast schon an ihn gekommen war, stellte er fest, dass die anderen alle eine Art hölzernen Napf und einen Löffel, ebenfalls aus Holz, am Gürtel hängen hatten, die sie nun hervorholten. Der Gedanke an Essen ließ ihm das Wasser im Munde zusammenlaufen. Aber ohne Geschirr würde er wohl hungrig bleiben müssen.
    »Da«, sagte jemand neben ihm und drückte ihm Schüssel und Löffel in die Hand. Er blickte auf. Es war das magere Mädchen, dem er geholfen hatte.
    »Danke«, sagte er. Das Essgeschirr war nicht sehr sauber; offensichtlich hatte sie es schon benutzt. Aber hungrig, wie er war, ließ er sich davon nicht abschrecken.
    Der eine Essensausteiler klatschte ihm eine Kelle von dem Eintopf in den Trog, und Kim machte, dass er weiterkam. Eintopf, dachte er. Wie in den guten alten Zeiten. Er nahm einen Löffel voll und kostete …
    … und hätte ihn fast wieder ausgespuckt. Er verschluckte sich so, dass er husten musste.
    »Nicht gut?« Das Mädchen war wieder bei ihm und grinste.
    Kim blickte auf den undefinierbaren Brei. Ein paar Fettaugen trieben darauf, aber was sich unter der Oberfläche verbarg, entzog sich jeder Beurteilung.
    »Hier«, sagte er, »nimm.«
    Das Mädchen ließ sich das nicht zweimal sagen. Hastig packte sie den Löffel und schlang den Fraß hinunter.
    »Wie heißt du?«, fragte Kim.
    »Jadi«, sagte sie zwischen zwei Mund voll.
    »Bist du schon lange hier?«
    Sie hob vier Finger.
    »Vier Tage, Wochen, Monate?«
    »Jahre«, sagte sie.
    Vier Jahre dieser Sklavenarbeit, für ein Kind! Das Mädchen musste das Erschrecken in seinen Augen gesehen haben, denn es zeigte auf einen der Umstehenden; es war der alte Mann, dem Fabian die Last abgenommen hatte und der jetzt im Schatten der Mauer sein Essen löffelte. »Er dreimal sieben Jahre.« Sie hatte wohl schon etwas von der Sprechweise der Bolgs übernommen – oder es vielleicht nie anders gelernt. »Seit die Dunklen kamen«, fügte sie hinzu.
    Kim überlief es kalt. Doch es war nicht die ungewohnte Arbeit, die in schwindeln machte. Seit die Dunklen kamen. Ihn fröstelte, obwohl ihm der Schweiß über die Schläfen lief.
    »So lange sind sie hier, die Dunklen?«, fragte er. »Drei Mal sieben Jahre?«
    Das Mädchen nickte. »Sie kamen hierher. Das Land war öde. Sie bauen diese Burg, seitdem.« Sie verstummte und widmete sich wieder mit Hast ihrem Essnapf.
    Kim strich sich mit der Hand das schweißnasse Haar zurück. Der dumpfe Ausdruck in den Augen des Mädchens wich einem plötzlichen Erschrecken, das in helles Entsetzen umschlug. Sie zeigte mit dem Finger auf Kim.
    »Eloki!«
    Die anderen um sie herum blickten ebenfalls zu ihm her und wichen zurück. In ihren Blicken lag erst Erschrecken, dann Furcht, gemischt mit Hass.
    »Ein Spion«, sagte einer, und ein anderer: »Er ist einer von ihnen.« Eine Frau, die mit einem halbwüchsigen Burschen, offensichtlich ihrem Sohn, an dem Quaderstapel lehnte, meinte: »Sieh nur seine Ohren!« Ihre Stimme klang schrill.
    Kim begriff. Als er sich das Haar aus dem Gesicht gestrichen hatte, hatte er zugleich eines seiner Ohren freigelegt. Offensichtlich hatten sie noch nie jemanden wie ihn gesehen. Daher wussten sie auch nicht so recht, was sie mit ihm anfangen sollten.
    Fabian war mit wenigen, raumgreifenden Schritten zu ihm getreten. »Er ist kein Eloai«, sagte er, bemüht, Ruhe in seine Stimme zu legen. Seine Erfahrungen als Diplomat, wenn auch nur in seiner Erinnerung, kamen ihm dabei zugute. »Er ist einer vom Kleinen Volk. Er steht auf unserer Seite. So wie ich«, fügte er hinzu.
    Der alte Mann mit dem grauen Bart kam herangeschlurft. Seine Stimme war rau, aber in dem ausgemergelten Leib brannte noch ein trotziger Wille.
    »Wer bist du überhaupt?«, fragte er. »Und was willst du hier? Du gehörst nicht hierher.«
    Eine steile Falte erschien

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