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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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Aber jetzt ist es zu dunkel, um zu sehen, was darin steht.«
    »Was für ein Buch ist das eigentlich?«, fragte Fabian.
    »Ich habe keine Ahnung«, sagte Kim. »Ich habe immer wieder versucht, einen Blick hineinzuwerfen, aber es kam jedes Mal irgendetwas anderes dazwischen. Vielleicht ist es mir vorherbestimmt, dass ich dieses Buch niemals lesen werde.«
    Er schwieg eine Weile, dann fuhr er fort: »Früher, als kleiner Junge, da habe ich mir immer vorgestellt, dass es irgendwo in der Bibliothek des Ffolksmuseums ein Buch gibt, in dem alles drinsteht. Die ganze Geschichte der Welt, verstehst du? Alles, was man darüber wissen kann. Ich habe sogar danach gesucht, aber ich habe es nie gefunden. Wahrscheinlich gibt es dieses Buch gar nicht; vielleicht wäre es auch gar nicht gut, wenn es wirklich existierte. Denn dann wären ja alle anderen Bücher entweder überflüssig oder falsch.«
    »Morgen«, sagte Fabian schläfrig. »Morgen schauen wir nach.«
    Der Wind heulte zwischen den Steinen, und eine Kälte kroch vom Boden herauf, die nicht nur aus dem Gestein zu kommen schien, sondern aus tieferen Regionen der Welt. Schatten sammelten sich ringsum; einige davon schienen schwärzer zu sein als die Nacht selbst. Kim wünschte sich, er hätte seinen Elbenumhang noch; doch den hatte er mit Fabians Schwert unter dem Turm der schwarzen Feste zurückgelassen. Jetzt hatte er nichts mehr, das ihn gegen die Kälte schützte. Und gegen die Dunkelheit.
    »Glaubst du, dass wir es schaffen?«, fragte Kim nach einer Weile. »Dass wir Talmond den Mächtigen rechtzeitig erreichen, um ihn zu warnen, ihn vielleicht sogar bei seinem Feldzug unterstützen können?«
    Fabian blieb so lange stumm, dass Kim fast schon glaubte, er sei eingeschlafen. Dann sagte er, aus der Dunkelheit heraus: »Ich weiß es nicht. Wir können nur unser Bestes tun; mehr kann man von niemandem verlangen. Aber ich sage dir, Kim: Wenn wir zu spät kommen, dann werde ich selbst das Schwert gegen den Schattenfürsten erheben, und wenn es gar mein Ende bedeutet. Das schwöre ich beim heiligen Vater und der großen Mutter aller. Ich bin der König, ob gekrönt oder nicht.«
    Dem war nichts mehr hinzuzufügen. Und doch musste Kim natürlich das letzte Wort haben. »Na, da bin ich ja froh, dass ich nur ein kleiner Ffolksmann bin.«
    »Jetzt schlaf, Kim.«
    »Gute Nacht, Majestät.«
    In dieser Nacht träumte er von Schatten.
    Sie standen rings um ihn her. Sie rührten sich nicht. Sie beobachteten ihn nur, aus augenlosen Gesichtern. Seltsamerweise hatte er nicht einmal Angst in ihrer Gegenwart; es war, als lebten er und die Schatten nach völlig verschiedenen Gesetzen und in zwei getrennten Welten, die sich zufällig an einem Punkt berührten. Nur wenn die Schatten mit dem umgebenden Gestein verschmolzen, ins Dasein zu flackern und wieder zu verlöschen schienen, dann empfand er ein Unbehagen, das er nicht beschreiben konnte, als geschehe hier etwas, das nicht sein konnte, weil es nicht sein durfte.
    Wenn er einer dieser Schatten wäre, dann könnte er den Rissen im Gestein folgen und Wasser finden, um seinen Durst zu stillen.
    Die Schatten zerflossen, und er floss mit ihnen. Sie sickerten hinab in den Boden, dem Wasser folgend, das in den Tiefen gluckerte. Weiter und weiterführte ihr Weg, hinab in die Tiefen der Welt, wo alle Pfade enden, wo nichts als Schweigen ist. Und wieder hinauf.
    Zeit verging.
    Verwaschene Bilder: Von gewaltigen Laboratorien, in denen Wesen gezüchtet wurden, die nichts Menschliches mehr an sich hatten. Von Kämpfen in Gängen und Hallen unter dem Gestein, Krieg und Brand und Zerstörung. Und von einem brennenden Licht, das ihn hinabwarf in die grundlosen Tiefen.
    Und wieder verging die Zeit. Es gab kein Mittel, sie zu messen; hier in den Tiefen der Erde waren selbst die großen Zyklen des Wachsens und Vergehens, die Kreise der Gestirne nicht zu spüren. Doch es dauerte lange, bis er sich wieder erhob, sich wieder erholte von dieser Niederlage. Es war ein Licht, das ihn weckte, ein ferner Schein, der durch das Gestein zu ihm drang.
    Er folgte dem Licht; auf den Wegen des Wassers folgte er ihm hinauf. Und sah.
    Schärfere Bilder diesmal: eine Höhle, in der eine unüberschaubare Zahl von bleichen Wesen sich neigte und rief: »Der König! Der König ist zurückgekehrt!«
    Vor ihnen eine kleine Gruppe von Gestalten: Da war Burin, und Gilfalas, da war ein Ffolksmann und noch eine Gestalt in den Schatten, und das bleiche, schmächtige Wesen, das hoch

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