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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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Macht ihres Geistes, die wie eine dräuende Wolke über der wimmelnden Menge lag. Und die Blicke aller waren nach oben gerichtet.
    Gwrgi stand hoch aufgerichtet vor der Versammlung. Von dem halb wahnsinnigen, geduckten Geschöpf, das im Finstern gehockt hatte, auf sein Ende wartend, war nichts mehr geblieben. Seine bleiche Haut glänzte wie Wachs, fing das Licht der Sphäre ein, bis er selbst von innen heraus zu leuchten schien: ein übernatürliches Wesen, das aus freien Stücken in die lichtlosen Tiefen herabgestiegen war.
    »Nun«, sagte er, »wollt ihr mich nicht huldigen, mein Volk? Verbeugt euch vor dem König des Gnomenreiches – und wer sich nicht verbeugen kann, tue so als ob …«
    Eine Bewegung ging durch die Menge. Und dann neigten sie sich vor ihm, ein jeder, wie er es vermochte, die ganze missgestalte Schar beugte sich vor ihm nieder, und wie aus einem Munde erscholl es, dass es von den Wänden der Höhle widerhallte:
    »Der König! Es ist der König! Der König ist zurückgekehrt!«

K APITEL VIII
WER DIE SCHATTEN WECKT
    Die Aaskrähe legte den Kopf nach rechts, um ihr Ziel genauer in den Blick zu nehmen. Mit jeweils einem Auge auf beiden Seiten des Kopfes war es gar nicht so einfach, einen genauen Punkt anzuvisieren, den der scharfe, gekrümmte Schnabel treffen konnte. Zumal das Gehirn zwischen den Augen so klein war, dass es nur die nötigsten Dinge regeln konnte, die im Leben einer Krähe eine Rolle spielten: fliegen, fressen, für Nachwuchs sorgen und den Feinden ausweichen, die überall lauerten.
    Doch nun hatte die Krähe eine Beute im Blick, wie sie ihr am liebsten war: noch ganz warm und frisch. Als Erstes würde sie die Augen herauspicken; die waren das Beste vom Ganzen. Der Kopf ruckte hoch, der scharfe Schnabel blitzte auf …
    Und weg! Im letzten Augenblick hatte sie die Bewegung wahrgenommen, und schon hatten die Reflexe die Oberhand. Die Beine zuckten, die Flügel flatterten auf, der Schnabel schrie: Gefahr! Der Stein, der ihr gegolten hatte, klackte harmlos auf den Boden, dort, wo sie noch vor einem Moment gehockt hatte, bereit, zuzuhacken.
    Die Krähe blickte sich ruckartig um. Wo war der Feind? Nichts zu sehen. Doch der Stein war nicht von ungefähr geflogen gekommen; jemand hatte ihn zielgerichtet nach ihr geworfen. So viel wusste die Krähe. Sie war in Gefahr. Doch die Gier nach Atzung war größer. Sie hüpfte auf ihren dünnen Beinen ein Stückchen näher heran. Vielleicht, wenn sie rasch zuschlug und dann sofort das Weite suchte …?
    Sie sah den Schatten aus den Augenwinkeln, eine wilde Bewegung, und dann ertönte der Ruf einer rauen, menschlichen Stimme:
    »Husch! Weg da!«
    Mit einem missbilligenden Krächzen flog die Krähe auf. Hier würde sie so bald keine Nahrung mehr finden. Mit mattem Flügelschlag strich sie über das Feld, um zwischen den Steinen nach einem neuen Opfer zu suchen.
    Das totenbleiche Gesicht, blasser noch im Kontrast zur Blutspur, die von der Stirn bis zur Wange verlief, regte sich nicht einmal, als ein Schatten darauf fiel.
    »Kim! Kim, bist du am Leben?«
    Hände schüttelten ihn. Ein Muskel zuckte. Zwischen den Brauen erschien eine steile Falte, oder war es nur ein Trick des Lichts? Der Mund öffnete sich.
    Kim stöhnte. Seine Augenlider flatterten.
    Der Blick war im ersten Moment noch ohne eine Spur von Erkennen. Dann schwamm ein vertrautes Objekt in das Blickfeld, schwarz gegen die Helle des Tages.
    »F-Fabian?«
    Kim richtete sich auf. Alles drehte sich um ihn. Sein Kopf schmerzte, als hätte jemand mit einer Axt daraufgeschlagen. Er tastete nach seiner Stirn, und seine Finger fuhren zurück, als der Schmerz ihn durchzuckte.
    »Wo sind wir?«
    Fabian, der neben ihm kniete, lehnte sich zurück. Erleichterung lag in seinen Zügen, aber da war noch etwas anderes, ein namenloser Zorn, der kein Ziel kannte.
    »Wir sind im Reich des Todes«, sagte er grimmig. »Aber wir leben.«
    Kim sah sich um. Und dann erkannte er, was sein Freund gemeint hatte.
    Er lag auf einem steinigen Feld. Nichts wuchs hier, kein Grashalm, keine Blume. Doch zwischen den Steinen hatte der karge Boden eine andere, schreckliche Frucht hervorgebracht.
    Das Feld war übersät von Leichen.
    In allen Stadien der Verwesung lagen sie da: Männer, Frauen, Kinder. Einige waren noch mit den Resten von Leintüchern bedeckt, in die sie gehüllt gewesen waren, andere waren nackt. Rippenknochen ragten durch zerfetzte Haut, unter geblähten Bäuchen stach Gebein hervor, leere Augenhöhlen

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