Die Herren der Zeit
metallisch auf. Er sah Spitzen von Lanzen hervorstechen und anderes Kriegsgerät. Dies war nicht einfach ein Transport von Sklaven und Werkzeug. Das waren Waffen, die dort unter der Ladung verstaut waren.
Einer der Bolg-Menschen bahnte sich grob seinen Weg nach vorn. Es war der Einäugige, der sie am Wegrand hatte sitzen sehen. Er warf seinen Speer beiseite, dann packte er den Rahmen des Karrens, um ihn mit brachialer Gewalt hochzureißen. Doch das Rad hatte sich so verkeilt, dass sieh der Wagen keinen Innch breit bewegte. Der Bolg-Mann ächzte. Das heile Auge trat ihm schier aus der Höhle; an seinen Armen wölbten sich Muskeln und Adern wie dicke Stränge und Taue. Er durfte sich vor den anderen keine Blöße geben. Aber immer noch rührte sich nichts. Dann brach etwas mit einem lauten Knacken. Das Rad kam frei, rollte, sich überschlagend, in die Tiefe, und die gesamte Last des Wagens rutschte auf den Bolg zu. Die Achse war gebrochen.
Der Bolg sah das Unheil kommen, war aber unfähig, irgendetwas dagegen zu tun. Er sah die Ladung auf sich zukommen. Gerätschaften, Helme, Schilde, Lanzen, ein ganzes Arsenal von Metallgegenständen. Sie würden ihn unweigerlich unter sich begraben, ihn auf dem harten Boden festnageln wie eine Strohpuppe, die von einem Dutzend Pfeilen und Speeren gleichzeitig durchlöchert wird. Und ein Dutzend Menschen, die hinter ihm standen, mit in den Tod reißen.
»Weg da!«
Fabian war der Einzige, der überhaupt reagierte. Er hatte den Speer des Bolg gepackt. Wie eine Stange stieß er ihn zwischen Wagenachse und Boden, stemmte sich dagegen, um die Hebelwirkung bis zum Äußersten auszunutzen.
Reflexe übernahmen das Gesetz des Handelns, wo der Verstand nicht ausreichte. Instinktiv rollte sich der Bolg zur Seite. Der Speer bog sich durch und brach. Den plötzlich gelösten Druck ausnutzend, machte Fabian einen Satz über den Karren hinweg, und die Ladung polterte unter ihm zu Tal, den Weg hinab und über die Felskante in den schäumenden Abgrund.
Doch die wenigen Augenblicke, die Fabians mutige Tat den Umstehenden gewährt hatte, hatten genügt. Die Menschen waren zur Seite gesprungen und drängten sich an die Felswand. Der Schrecken stand in ihren Gesichtern geschrieben; es war alles viel zu schnell geschehen, als dass er bereits der Freude über die Rettung hätte Platz machen können.
Der Bolg-Mann erhob sich langsam, fast bedächtig. Sein vernarbtes Gesicht war ausdruckslos. Hinter seiner Stirn arbeitete es, aber es war unmöglich zu sagen, welche Überlegungen in seinem Hirn vorgehen mochten.
Fabian war ebenfalls wieder aufgestanden. Einen Augenblick standen sie sich so gegenüber, der eine, der ein wenig mehr als ein bloßer Mensch war, und der andere, der das Menschsein gerade hinter sich gelassen hatte, um auf die Stufe eines Tieres hinabzusinken.
»Warum?«, fragte der Bolg.
Atemlos warteten alle. Jedem war klar, was die Frage bedeutete. Warum hast du dein Leben gewagt, um mich zu retten, wo ich doch dein Peiniger bin, dein Gefangenenwärter?
»Weil du nicht mein Feind bist«, sagte Fabian mit klar hallender Stimme, die selbst das Rauschen des Flusses übertönte. »Unser wahrer Feind ist dort.« Damit zeigte er mit dem ausgestreckten Arm nach Norden, dorthin, wo die Feste der Finsternis lag. »Und weil schon genug Leid geschehen ist und zu viele gestorben sind, auf beiden Seiten.«
Und siehe! Wie er dort stand, mit erhobener Hand, da ging von dem Ring, den er an seinem Finger trug, ein Leuchten aus, ein grüner Schein, der ihn umgab wie ein Mantel aus Licht. Und er war nicht mehr der abgerissene Jüngling, waffenlos, ein Sklave unter vielen, sondern Hoheit lag in seiner Haltung und Macht in seinem Blick.
Der Bolg, der ihn angestarrt hatte wie ein Wesen aus einer anderen Welt, fiel auf die Knie, und die Umstehenden taten es ihm gleich.
Kim aber, der vor langer Zeit ausgezogen war, die Krönung eines Herrschers zu bezeugen, rief, so laut er konnte: »Der König! Es ist der König!«
Doch die Bolgs weiter oben, welche die Vorhut des Zuges gebildet hatten, murrten untereinander. Sie sammelten sich, drängten die Menschen beiseite und kamen näher. Sie hatten schon genügend Magie gesehen, um sich von einem grünen Feuerwerk nicht beeindrucken zu lassen. Vielleicht fehlte ihnen, die nicht durch den Schrecken des Todes gegangen waren, auch einfach das Gespür für die Magie des Augenblicks.
Es war ein Platz wie geschaffen für einen Kampf. Das Felsband weitete sich an dieser
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