Die Herren der Zeit
Stelle, sodass Raum genug war für ein halbes Dutzend, die nebeneinander stehen konnten. So standen sie sich gegenüber: ein Rudel Bolg-Krieger, mit Speeren und Peitschen bewaffnet, das sich gegen die Felswand drängte, und ein waffenloser Jüngling, umhüllt von einem grünen Licht, das aufflackerte und verblich.
Der Bolg, dem Fabian das Leben gerettet hatte, packte sich einen der Speere, die von der Ladung des Karrens zu Boden gefallen waren. Auch einige seiner Gesellen, immer noch betäubt von dem Wunder, das sie gesehen hatten, kamen herbei, halb entschlossen, ihren neuen Herrn zu verteidigen. Einen Augenblick lang sah es so aus, als würde es nun zu einem Kampf Bolg gegen Bolg kommen, zu einem blutigen Gemetzel in der kleinen Arena oberhalb des tosenden Flusses.
Der Anführer der Bolgs bahnte sich seinen Weg nach vorn. Seine Rüstung war rostig und ohne Schmuck. In seiner Hand hielt er ein schartiges Schwert. Er zögerte, als er die entschlossenen Gesichter auf der anderen Seite sah. Er war es nur gewohnt, mit Sklaven umzugehen. Er zögerte nur einen winzigen Augenblick, aber das genügte.
Denn mit dem Schwinden des Lichts kamen die Schatten.
Noch nie hatten die Schatten ein solches Licht gesehen. Es zog sie an, magisch, mit einem unwiderstehlichen Zwang, wie Motten, die um eine Kerzenflamme schwirren, von ihr angezogen werden, bis sie verbrennen.
Nur das Licht gibt den Schatten ein Zentrum. Nur im Feuer erkennen sie, dass sie mehr sind als die bloße Abwesenheit von Licht. Die Schatten verschmolzen, wurden zu einem Wesen, waren viele zugleich und doch eins.
Mit der Einheit kam das Bewusstsein. Dort war das Licht. Hier war der Schatten.
Der Schatten griff nach dem Licht. Hände, die keine waren, streckten sich aus nach dem Zentrum der Helle, bereit, alles auszulöschen, was sich zwischen die eigene Dunkelheit und das Licht stellte.
Kim war der Einzige, der das Unheil kommen sah.
Er sah, wie sich etwas aus den Felswänden löste, etwas, das darin gelauert hatte. Es hatte keine Substanz, aber es war auch mehr als Nichts, und dort, wo es sich bildete, schmolz der Fels hinweg.
Einer der Bolgs, der unmittelbar an der Felswand stand, den Speer gegen das harte Gestein gestemmt, bemerkte es als Erster. Der Schatten floss den hölzernen Schaft entlang, legte sich um die Hand, die den Speer umklammert hielt, kroch den Arm hoch bis zum Ellbogen und weiter hinauf bis zur Schulter. Und dort, wo der Schatten entlangfloss, löste sich auf, was er berührte. Der Bolg hatte plötzlich keinen Arm mehr; benommen starrte er auf den Stumpf, der aus seinem Körper ragte. Die Augen traten ihm aus den Höhlen; er wollte schreien, aber der schleichende Zerfall hatte bereits seinen Oberkörper befallen, sodass die Lungen, zu Schatten geworden, keinen Laut mehr von sich gaben. Mit abgrundtiefem Entsetzen musste er mit ansehen, wie er bei lebendigem Leibe von innen aufgezehrt wurde, und noch ehe er im Fallen den Boden berührte, war von ihm nichts übrig geblieben als ein fließender, wabernder Schatten.
Die anderen Bolgs schlugen um sich, doch gegen einen Feind, den man nicht töten kann, ist jede Gegenwehr sinnlos. Dort wankte einer ohne Kopf umher, zwischen seinen Schultern nichts als ein schwarzer, verschwimmender Fleck; hier versuchte ein anderer, auf Beinen wegzulaufen, die sich unter ihm in Rauch auflösten; und der Hauptmann der Bolgs kämpfte vergebens gegen den schattenhaften Feind mit einem Schwert, das selbst aus Dunkelheit bestand und ebenso verging wie der Arm, der es schwang. Wie ein Wundbrand breitete sich das schwarze Geschwür aus, aber rasend schnell, gleich einem alles verschlingenden Feuer, das nichts als geschwärzte Asche zurücklässt, die ein Wind verweht.
Dann erhoben sich nur noch ein paar flackernde Säulen aus Dunkelheit dort, wo die Bolgs gestanden hatten. Es war schwer, ihre Zahl zu bestimmen, weil sie sich immer wieder neu bildeten und vergingen, als wäre das, was sie waren, ständig im Fluss. Doch ihr gemeinsames Ziel war nicht zu verkennen. Sie hielten auf Fabian zu.
Das grüne Leuchten erlosch.
Der Schatten, der zugleich eins war und viele, verharrte. Gefangen im freien Raum, umgeben von einem diffusen Licht, das von allen Seiten zugleich zu kommen schien, wusste er offenbar nicht mehr, wohin er sich zu wenden hatte. Die allumfassende Graue zehrte an ihm, zerfaserte ihn an den Rändern. Der Schatten verlor an Substanz, sofern man bei einem Wesen, das nur aus Dunkelheit und Schwärze
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