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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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Herz gelegt.
    Während ringsum die Wagen entladen und um das erleichtert wurden, was ihnen auf dem weiteren Marsch nur hinderlich sein würde, und man Waffen und Proviant unter den Einzelnen verteilte, lauschte Kim in das Innere des Felsens hinein. Doch obwohl er wusste, dass der Schatten noch da war, irgendwo da unten, hörte er nichts als das endlose Rauschen des Wassers, das sich in der Tiefe verlor.
    In der fernen Feste der Finsternis lauschte der Fürst der Schatten in die Dämmerung.
    Er hatte lange geschlafen, den Schlaf der Erschöpfung nach seinen Mühen. Der Schmerz war immer noch bei ihm, jene Pein, die von dem Ding ausging, das er an einer Kette um den Hals trug, seit seine Finger es nicht mehr fassen konnten. Es stand vor seinem geistigen Auge wie ein feuriges Rad in der Dunkelheit, ob er schlief oder wachte. Immer war es da, immer gegenwärtig, die Quelle seiner Macht, und zugleich die größte Gefahr, die ihr drohte.
    Denn da waren noch andere Ringe der Macht. Und einer von ihnen, einer, dessen grünes Licht er ganz deutlich sehen konnte, wie ein Leuchtfeuer in der Ferne, war hier.
    Es konnte nicht sein. Dies war nicht die Zeit, nicht der Raum. Dieser Ring durfte nicht existieren, nicht hier und jetzt. Nur einer von ihnen besaß die Macht, das Gefüge der Welt selbst zu erschüttern, die Dinge zu ändern, die vorherbestimmt waren – und dies nur, wenn er in der Gewalt eines mächtigen Wesens war, eines Meisters der Schatten, der durch ihn zum Herrn von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wurde.
    Nein, außer dem Zentrum des Rings gab es nur einen Ort, wo sich alle Zeiten begegneten.
    ›Zarakthrôr!‹
    Er sprach es aus wie einen Fluch. Er war aufgestanden, ging mit langen, fließenden Schritten in seinem Gemach hin und her.
    Es gab nur einen Weg, sich die Herrschaft über alle Zeiten zu bewahren: Er musste Zarakthrôr zerstören.
    Es war gefährlich, gewiss. Er musste klug sein wie eine Schlange und schlau wie ein Fuchs, unschuldig wie eine Taube und tödlich wie ein Drache.
    Wieder lauschte der Fürst der Schatten in die Dunkelheit. Und aus der Dunkelheit wurde ihm Antwort zuteil.
    Er hörte die Schatten.
    Sie würden seine perfekte Waffe sein. Unschuldig – und tödlich. Niemand würde je auf seine Spur kommen, nicht einmal sein Widersacher; nein, selbst der Hohe Elbenfürst würde sich so in den Schlingen seines eigenen, viel zu komplexen Plans verfangen.
    Nur musste er, um den rechten Zeitpunkt zu treffen, erneut in die Zukunft reisen. Nicht so weit diesmal und nicht so lange. Aber der Schmerz, den ein solcher Riss im Gefüge der Welt mit sich brachte, würde es wert sein.
    Er kleidete sich mit aller Sorgfalt an. Um seine geschuppte Rüstung legte er einen Mantel, der aus Nacht und Finsternis gewoben war. Er nahm sein großes Schwert in die Hand und hing es an seinen Gürtel. Denn er zog in den Krieg.
    Mit langen Schritten stürmte er über den Hof, dem hohen Turm zu. Wind peitschte seinen Mantel. Auf die sich hastig duckenden Sklaven und Bolgs verschwendete er keinen Blick. Die runde Halle war kühl und schattig; das große Podest mit dem Kalendarium lag in Finsternis, umglüht von einem grünen, geisterhaften Licht. Dem Licht der Zeit.
    Er trat auf die steinerne Platte. Unmerklich begann sie sich zu bewegen: Kreise innerhalb von Kreisen schoben sich mit einem Knirschen gegeneinander. Nur sein Wille hielt sie in Bann, sein Wille und die Macht des Ringes. Das Licht wurde zum Feuer, zur brennenden Glut, zur alles versengenden Flamme …
    Ein entsetzlicher Schrei erfüllte den Turm.
    Der Schattenfürst war verschwunden.

K APITEL IX
DIE MEISTER DER WELT
    Der Schatten erinnerte sich.
    Erinnerung ist das, was mit dem Bewusstsein kommt: das Wissen um eine Zeit, in der die Dinge anders waren, als sie sind. Aus der Veränderung entsteht das Leben, aus dem Wissen um diese Veränderung das Denken.
    Der Schatten erinnerte sich, wie er einst an einem anderen Ort gestanden hatte und wie in gleicher Weise der Ruf erklungen war, der nun von den hohlen Wänden widerhallte:
    »Der König! Es ist der König!«
    Doch dies war nicht nur zu einer anderen Zeit gewesen; es war, als existierte dies in zwei Welten gleichzeitig und würde immer so existieren, immer dann, wenn sich eine Verheißung erfüllte. Und was war eine Verheißung anderes als ein Schatten in der Zeit?
    Der Schatten, einer und doch viele, schmiegte sich an die Wände. Es war noch zu früh, einzugreifen. Jetzt war erst einmal Zeit, zu

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