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Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Titel: Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaquat Ahamed
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Wechselkurs zum Dollar auf 20 gefallen.
    Am 14. Januar, dem Tag, als das Dawes-Komitee, wie man es jetzt nannte, seine Arbeit aufnahm, fiel der Wechselkurs des Franc an einem einzigen Tag um weitere zehn Prozent. In den folgenden Wochen schien er sich zwar zu stabilisieren, sank aber ab Mitte Februar erneut und verlor an zwei Tagen, am 6. und am 7. März, weitere zehn Prozent, wodurch am 8. März ein Wechselkurs von 27 Francs je Dollar erreicht wurde. In der Salle des Banquiers in der Börse herrschte Chaos, als eine wild gestikulierende Menge von Währungsbrokern und Bankagenten versuchte, ihre Francs zu verkaufen.
    Die Behörden beharrten darauf, ausländische Spekulanten seien schuld, die von der deutschen Regierung in einer großen Verschwörung geleitet wurden. Die offiziellen Stimmen griffen auf militärische Analogien zurück, weil sie überzeugt waren, die Finanzen seien nun zu einem Krieg mit anderen Mitteln geworden. Premierminister Poincaré erklärte vor der Nationalversammlung, er besitze ein Geheimdokument, das »einen Plan für eine Offensive gegen den Franc« beschreibe, und das Stresemann angeblich im Hotel Adlon an eine Versammlung deutscher Bankiers ausgegeben habe. Der »Angriff« solle von Amsterdam aus »gestartet« werden, wo deutsche Handelshäuser angeblich einen Reservefonds im Volumen von 13 Milliarden Francs akkumuliert hatten. In einer amerikanischen Zeitung wurde berichtet, die lutherischen Pastoren in den USA hätten einen Brief mit dem Vorschlag erhalten, sie sollten ihre Gemeinden dazu bewegen, Francs auf den Markt zu werfen, um »dabei zu helfen, Frankreich in die Knie zu zwingen.« Die Franzosen waren damals besessen vom Schreckgespenst ausländischer Spekulanten – und sollten es für viele Jahre bleiben. Keynes beschrieb ihre Einstellung in einem Vorwort, das er eigens für die französische Ausgabe des Traktats verfasste: »Immer wenn der Franc an Wert verliert, ist der Finanzminister überzeugt, dass dies alle möglichen Gründe hat, nur keine ökonomischen. Er schreibt es der Gegenwart eines Ausländers in der Nähe der Börse zu oder den geheimnisvollen und bösartigen Einflüssen der Spekulation. Intellektuell ist das nicht weit entfernt von einem afrikanischen Hexenmeister, der dem ›bösen Blick‹ eines Nebenstehenden die Schuld an einer Viehseuche gibt und schlechtes Wetter dem ungestillten Appetit eines Götzen zuschreibt.«
    Am 13. März verkündete die französische Regierung, dass J. P. Morgan & Co. ihr auf die Sicherheit ihrer Goldreserven 100 Millionen Dollar geliehen hatte. Die Kreditbedingungen wurden veröffentlicht, darunter die ungewöhnlichen Klauseln, die Regierung solle Schritte einleiten, um den Haushalt auszugleichen, ihre Ausgaben reduzieren und keine neuen Anleihen emittieren. Es gab aber auch Gerüchte, dass Morgan, das man in der Regel für das Frankreich am freundlichsten gesonnene amerikanische Investmenthaus hielt, im Geheimen auch darauf bestanden hatte, dass die französische Regierung verbindlich zusagte, jeden Plan zu akzeptieren, den das Dawes-Komitee vorlegen würde. Schon die Ankündigung des Kredits genügte, um die Situation völlig zu verändern. Der Wechselkurs des Franc zum Dollar erholte sich von 29 auf 18 – ein Wertzuwachs um 60 Prozent in zwei Wochen.
    Was Deutschland betraf, bemerkte das Dawes–Komitee schnell, das sich in dem Monat seit seiner Ernennung viel verändert hatte. Die wirtschaftliche Situation hatte sich gewandelt: Die Währung war stabilisiert, und der Haushalt kam wieder ins Gleichgewicht. Inzwischen pries jeder Schacht als »Wundermann«.
    Mitte Januar 1924 erhielt Schacht, der nun wieder zurück in Berlin war, eine Einladung – er nannte es »Vorladung«, vor dem Komitee in Paris zu erscheinen. Er kam am Samstag, dem 19. Januar und hielt noch am selben Nachmittag die erste von seinen vielen Präsentationen vor den Experten im Hotel Astoria. Als er auf dem »Stuhl der Reue« in der Mitte des Raumes saß, wie ein Gefangener auf der Anklagebank, wobei die Experten wie strenge Richter vor ihm saßen, fiel es ihm schwer, seine Verbitterung darüber zu verbergen, dass die Zukunft seines Landes in einem umfunktionierten Hotelspeisesaal in Paris entschieden werden sollte.
    Am Montag, dem 21. Januar, erschien er noch einmal für drei Stunden und stand auch am folgenden Tag Rede und Antwort. Obwohl er grollte, dass alle diese Präsentationen ihn von der wichtigen Aufgabe abhielten, die deutsche Währung wieder zu

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