Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
hatte er sich damit entschuldigt, in der Bank zu viel zu tun zu haben. Wenn man sich einigermaßen auf die Erfahrungen der Vergangenheit verlassen konnte, dann musste jedes von der Reparationskommission eingesetzte Komitee an politischen Streitigkeiten scheitern und führte letztlich zu nichts. Norman schrieb an Strong: »Mir scheint es so, als stoße dieses Komitee auf große Schwierigkeiten. … es ist klar, dass es so viele Sichtweisen gibt, wie dieses Komitee Mitglieder hat.«
Aber im Februar und im März, als die Empfehlungen des Dawes-Komitees langsam an die Öffentlichkeit drangen, änderte er allmählich seine Meinung. Das Herzstück des Plans und der Einigung über die Reparationen, auf die er abzielte, war der internationale Kredit, auf dessen Bedingungen Norman, wie er nun bemerkte, enormen Einfluss nehmen konnte.
Die Kreditvergabe an ausländische Regierungen war traditionell einer der glamouröseren Aspekte des Bankwesens. Vor dem Krieg lag diese Kreditvergabe fest in den Händen zweier britischer Banken mit langer, ereignisreicher Geschichte – Baring Brothers und Rothschilds.
Barings war die älteste Geschäftsbank in London – die männlichen Nachfahren aller fünf Söhne des Gründers Thomas Baring saßen nun im Oberhaus. 1802 hatte Barings der US-Regierung geholfen, den Kauf Louisianas von Napoleon zu finanzieren, der unbedingt Geld brauchte. Der Einfluss der Bank war einmal so groß, dass der Duc de Richelieu 1817 von den »sechs wichtigsten Mächten in Europa« sprach: »Großbritannien, Frankreich, Österreich-Ungarn, Russland, Preußen und Baring Brothers.«
Rothschilds hatte sogar eine noch ereignisreichere Geschichte. Die Familie hatte ihr Vermögen in den Napoleonischen Kriegen gemacht. Mit fünf über Europa verteilten Zweigen – in London, Paris, Frankfurt, Wien und Neapel – hatte die Familie von allen Banken das breiteste Kontaktnetzwerk, und ihre Informationsquellen waren legendär. Es gab die Geschichte, die Familie habe über Brieftauben einen Tag früher als der Rest Londons von der Niederlage Napoleons bei Waterloo erfahren, früher als die Regierung, und sie habe ein enormes Vermögen gemacht, indem sie Regierungsanleihen kaufte. In Wirklichkeit stimmte die Geschichte nicht. Obwohl die Rothschilds tatsächlich früher als jeder andere in London von dem Sieg erfuhren, verloren sie Geld, weil sie darauf wetteten, dass der Krieg noch für eine Weile weitergehen würde und deshalb große Goldvorräte horteten – aber der Mythos blieb. Der Mythos der Rothschilds war so stark, dass der Wirtschaftswissenschaftler J. A. Hobson im Einklang mit einer weit verbreiteten Meinung 1902 schrieb, kein Krieg könne »von irgendeinem europäischen Staat begonnen werden… wenn das Haus Rothschild und seine Verbindungen dagegen sind.«
Aber nach dem Krieg, als in London selbst Kapitalknappheit herrschte, musste die Bank of England ein inoffizielles Embargo gegen Auslandskredite britischer Finanzhäuser verhängen, und beide Banken waren nur noch ein Schatten ihres frühreren Glanzes. Die Position des »Bankiers der Welt« verlagerte sich von Großbritannien in die USA, obwohl das amerikanische Geld nicht an die Unwägbarkeiten der internationalen Politik gewöhnt war. Die drei amerikanischen Firmen, die nun den Markt für Auslandsanleihen beherrschten, waren die National City Bank, Kuhn Loeb und – nicht die größte, aber die angesehenste – J. P. Morgan & Co.
Das Haus Morgan war schon vor dem Krieg mächtig gewesen und hatte geholfen, Branchen wie Stahl, Eisenbahnen und Schiffbau zu finanzieren und zu restrukturieren. J. P. Morgan hatte 1895 sogar der Regierung aus der Patsche geholfen und 1907 das Bankensystem gerettet. Aber die Bank war damals größtenteils im Inland tätig. Pierpont Morgan selbst war in der Tat eine in Europa sehr bekannte Persönlichkeit gewesen, und sein Vater Junius Morgan hatte der französischen Regierung geholfen, Geld aufzutreiben, um den Schadensersatz nach dem Krieg zwischen Frankreich und Preußen 1870 bezahlen zu können. Aber im internationalen Ranking blieb J. P. Morgan & Co. eine Bank der zweiten Reihe.
Der Krieg hatte diese Position stark verändert. Die Bank war zu einer Macht geworden, weil man sie 1914 als einzigen Kaufagenten der britischen und der französischen Regierung ausgewählt hatte. Ihre 14 Partner, die in einem großen und trostlosen gemeinsamen Büro saßen, wo der eine die Gespräche des anderen mithören konnte, verdienten nun
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