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Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Titel: Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaquat Ahamed
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stärken, genoss er das Rampenlicht sichtlich. Er hatte sich Notizen für seine Ausführungen gemacht und beschrieb die Situation in Deutschland 1919 als »ausgetrocknet durch den Krieg«. Er fasste die Auswirkungen von Reparationen und Inflation, Währungsreform, Wirkung der neuen Rentenmark und die Pläne für die neue Golddiskontbank zusammen. Als er die Fragen des Komitees in fließendem Französisch oder Englisch beantwortete, fiel es ihm schwer, diesen unvermeidlichen Ton des Selbstlobs aus seinen Antworten herauszuhalten. »Seinem Stolz kommen nur seine Fähigkeiten und sein Wunsch nach Dominanz gleich«, schrieb Dawes an diesem Abend in sein Tagebuch. Trotzdem konnte das Komitee nicht anders als zu bewundern, wie genau er die Situation erfasst hatte.
    Durch das Ausmaß von Schachts Ego von Anfang an gewarnt, ging das Komitee dazu über, ihn in jedes Stadium seiner Überlegungen einzubeziehen. Dawes bemerkte, die »bemerkenswerteste Enthüllung seines Charakters« sei es gewesen, als Schacht dem Komitee ganz offen sagte, »solange er Präsident [der Reichsbank] sei, sei er die Reichsbank.«
    Das Komitee entschied, es sei sehr wichtig, Schacht bei jedem Plan zur ausländischen Überwachung der deutschen Geldpolitik mit an Bord zu haben. Es wagte keine Konfrontation, die Schachts sehr erfolgreiche Bemühungen zur Stabilisierung hätte unterminieren oder scheitern lassen können. Dies hätte eine Kapitalflucht ausgelöst, die die Probleme nur noch verstärkt hätte. Aber das Komitee fürchtete auch, es könne sich als schwierig erweisen, Schacht später wieder zu zügeln, wenn man ihm nun mit seinen eigenen Plänen zu sehr freie Hand ließe.
    Innerhalb von nur zwei Monaten war er von einem relativ unbekannten Bankier zu demjenigen deutschen Regierungsbeamten geworden, auf den es ankam. Alexandre Millerand, der Präsident der Republik, lud ihn in den Elyseé-Palast ein. Man legte ihm sogar eindringlich nahe, den deutschfeindlichen Poincaré aufzusuchen, den Initiator der Besetzung des Ruhrgebiets. Als Schacht erklärte, er sei offen für eine solche Einladung, sagte man ihm, das Protokoll erfordere, dass er die Initiative ergriff und um eine Audienz ersuchte. Er tat dies auch und erschien eines Abends pünktlich um 17.00 Uhr in den Büroräumen Poincarés am Quai d`Orsay. Aber als der Präsident ihn 30 Minuten warten ließ, stürmte Schacht hinaus, reizbar wie immer, und musste von einer Gruppe alarmierter Funktionäre zur Rückkehr überredet werden.
    Am 31. Januar reiste das Expertenkomitee mit einem Sonderzug nach Berlin, dem ersten direkten Zug von Paris nach Berlin seit dem Krieg, um sich selbst ein Bild von dem Elend zu machen, das die Reparationen bislang verursacht hatten. Deutsche Regierungsbeamte, die sicherstellen wollten, dass die Besucher einen ausreichenden Eindruck von der Not des Volkes erhielten, sorgten dafür, dass der Strom in den Hotels, in denen die Kommission untergebracht war, absichtlich schon früh abgeschaltet wurde.
    In seinem Umgang mit dem Komitee stand Schacht vor einem echten Dilemma. Einerseits war er Realist genug, um zu erkennen, dass diese Leute ihn zwar brauchten, dass er es sich aber trotzdem nicht leisten konnte, sie vor den Kopf zu stoßen. Er selbst konnte nicht alles schaffen. Nur eine Gruppe ausländischer Experten hatte das nötige Format, niedrigere Reparationen auszuhandeln oder die Mobilisierung einer ausländischen Anleihe zu ermöglichen. Typischerweise scheint aber eine seiner größten Sorgen gewesen zu sein, Ausländer könnten den Ruhm für seine Leistungen einheimsen.
    Andererseits blieb er davon überzeugt, dass Deutschland nicht annähernd die Reparationen bezahlen konnte, die der Londoner Plan vorsah. Er hielt Dawes’ Auffassung, die Gesamtsumme der Verpflichtungen nicht in Frage zu stellen, für grundfalsch. Für den Augenblick aber bewahrte er die Ruhe. In den folgenden Wochen wurde Schacht zum entscheidenden deutschen Gesprächspartner für das Komitee, wenn es um die Finanzreform und die Reichsbank ging. Obwohl beide Parteien wegen der gemeinsamen Interessen auf peinliche Höflichkeit im Umgang miteinander achteten, gab es bei ihren Verhandlungen doch unterschwellige Spannungen.
    Am 9. April gab das Komitee seinen Plan bekannt. Wie Young gesagt hatte, vermied man es absichtlich, die Gesamtsumme der deutschen Reparationen oder den Zahlungszeitraum zu nennen, sondern konzentrierte sich ausschließlich darauf, was in den folgenden Jahren gezahlt werden

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