Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Titel: Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaquat Ahamed
Vom Netzwerk:
Hauptversammlung der Bank. Obwohl es mehr als 40 000 Aktionäre gab, durften nur die 200 größten an der Versammlung teilnehmen und die Regenten wählen. Das Konklave wurde in der Galerie Dorée abgehalten, einer lang gestreckten Rokokohalle, die sich durch die Mitte des Gebäudes zog. Dort, unter den großartigen Gemälden an den Deckengewölben, den geschnitzten und reich vergoldeten Holzarbeiten und den opulenten Wandspiegeln, saßen in alphabetischer Reihenfolge einige der ältesten und adeligsten Familien Frankreichs: Clérel de Tocqueville, La Rochefoucauld, Noailles und Talleyrand-Périgord.
    Zu dieser Versammlung eingeladen zu werden, war eines der am höchsten geschätzten Symbole des gesellschaftlichen Status in Frankreich. Adelige, die sich ansonsten nicht um Bankgeschäfte kümmerten, schätzten den Anteil ihrer Familien an der Bank im Wert von meist mehreren Hunderttausend Francs, damals etwa 100 000 Dollar, und hielten ihn über Generationen als wertvollen Teil ihres Erbes.
    Bei einer Wählerschaft aus 200 der reichsten und vornehmsten Familien Frankreichs war es keine Überraschung, dass die Sitze im Rat der Regenten beinahe vererbt wurden. Fünf der zwölf gewählten Regenten waren Nachfahren der Bankgründer und unverhältnismäßig viele waren Protestanten Schweizer Herkunft. 1926 gehörten zu den zwölf Regenten Baron Ernest Mallet, Baron Édouard de Rothschild, Baron Jean de Neuflize, Baron Maurice Davillier, M. Felix Vernes und M. Francois de Wendel. Die Familie Mallet, protestantische Bankiers, die ursprünglich aus Genf stammten, Eigentümer eines Konzerns, der ihren Namen trug, zeichnete sich dadurch aus, dass sie ohne Unterbrechung seit vier Generationen einen Sitz im Rat hatte, seit er im Jahr 1800 erstmals einberufen worden war. Die Rothschilds, die einzige jüdische Familie im Rat, hatte ihren Sitz seit 1855, als Baron Alphonse gewählt worden war, der geschäftsführende Partner bei Rothschild Frères, dem französischen Zweig der Bankiersfamilie. Nach seinem Tod 1905 ging sein Sitz an seinen Sohn Baron Édouard.
    Die Davilliers, die wie so viele Regentenfamilien unter Napoleon zu Baronen ernannt worden waren, bestanden hauptsächlich aus Industriellen, obwohl sie auch eine gleichnamige Privatbank führten. Baron Maurice Davillier war das vierte Mitglied seiner Familie mit Sitz im Rat. Obwohl Baron Jean de Neuflize das erste Mitglied seines Clans war, das in den Rat gewählt worden war, waren die Neuflizes, die eine weitere Bank besaßen, die ihren Namen trug, schon von Ludwig XV. in den Adelsstand erhoben worden. Baron Jean, ein eifriger Sportler, der als Radfahrer für Frankreich an den Olympischen Spielen 1900 teilgenommen hatte, war Präsident der Gesellschaft der Hindernisläufer und des noch exklusiveren Casting Clubs Frankreichs. Seine Tochter war mit dem neunten Earl of Bessborough verheiratet, der den wunderschönen Namen Vere Brabazon Ponsonby trug.
    In den 120 Jahren seit Gründung der Banque hatte Frankreich nicht weniger als drei Revolutionen erlebt, fünf Mal sein politisches System verändert und 17 Staatsoberhäupter gehabt. Darunter waren ein Kaiser, drei Könige, zwölf Präsidenten und ein Präsident, der sich später selbst zum Kaiser krönte. Im Durchschnitt hatte es mehr als einmal jährlich einen Regierungswechsel gegeben. In der Zwischenzeit blieben die Bank und die immer gleichen wenigen Familien unbehelligt, die die Macht im Rat ausübten. Die Autorität dieser Institution war so groß, dass sie auch während der Pariser Commune weiter funktionierte und die Geldbedürfnisse beider Seiten erfüllte – nicht nur die der rechtmäßigen Regierung in Versailles, sondern auch die der Commune selbst. »Am schwersten zu verstehen«, schrieb Friedrich Engels, verblüfft über den Respekt dieser ersten Kommunisten, »ist die heilige Ehrfurcht, mit der sie vor den Toren der Banque de France stehen blieben.« Der Mythos, der die Regenten und die 200 Aktionäre umgab, ließ in den 1930er-Jahren die Legende entstehen, Frankreich werde von einer Finanzoligarchie der deux cent familles regiert, ein mächtiger Mythos, der später zum Kampfruf der Linken wurde.
    Als 1914 der Krieg ausbrach und das Überleben der Nation bedroht war, unterstellte sich die Banque ebenso wie alle anderen europäischen Zentralbanken freiwillig ihrer Regierung und druckte gehorsam so viel Geld, wie für die Finanzierung dieser kolossalen Anstrengung nötig war. Aber im Gegensatz zur Reichsbank

Weitere Kostenlose Bücher