Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
Rehabilitierung dieses bemerkenswerten Mannes.
Allerdings hatte nicht jeder vergessen oder verziehen. Als er am 21. April 1925 den Abgeordnetensaal betrat, um seinen Platz auf der Regierungsbank einzunehmen, wobei sein runder Glatzkopf leuchtete und er ein Monokel fest ins rechte Auge geklemmt hatte, gab es Zischen, Buhrufe und Ausrufe wie »Verräter« und »Deserteur«. Ein glühender Nationalist erhob sich und schrie: »Haben wir den Punkt erreicht, an dem wir uns zwischen dem Bankrott und Monsieur Caillaux entscheiden müssen? Der Bankrott wäre besser!« Eine amerikanische Zeitschrift berichtete, es sei so gewesen, als habe man Benedict Arnold nicht hingerichtet, sondern aus Philadelphia verbannt, ins Exil auf dem Land geschickt, dann begnadigt und zum Kriegsminister ernannt.
In all den Jahren, selbst während Caillauxs langer Verbannung ins politische Niemandsland, hatte Moreau unbeirrt an seiner Freundschaft zu diesem brillanten und unberechenbaren Politiker festgehalten. Trotz aller Schwächen dieses Mannes – seine Indiskretionen, sein erschreckender Mangel an Urteilsvermögen, die zwielichtigen Freunde, mit denen er sich umgab, der schreckliche Machthunger und seine charakteristische »Frivolität« – hatte Moreau nie daran gezweifelt, dass Caillaux auf finanziellem Gebiet einer der besten Köpfe war, die Frankreich je hervorgebracht hatte, und dass das Land nie in die aktuelle Situation hätte geraten können, wäre er während des Kriegs Finanzminister gewesen.
Der neue Minister stand vor einer sehr schwierigen Situation. Der Franc war die einzige bedeutende Währung ohne Goldbindung, und sein Wert schwankte an den Börsen. Seine Aufwärts- und Abwärtsbewegungen waren ein Barometer des Vertrauens in das französische Finanzmanagement. Im Frühling 1924, während der Dawes-Verhandlungen, war der Kurs auf 25 Francs für einen Dollar gesunken. Danach hatte er sich ein wenig erholt und war ein Jahr lag bei 18 bis 19 einigermaßen stabil geblieben, was 25 Prozent des Vorkriegswerts entsprach. Aber die Affäre der faux bilans zerstörte dieses sensible Gleichgewicht, und Ende Juni schwankte der Kurs um 22.
Caillaux stürzte sich mit der für ihn charakteristischen Energie auf die Aufgabe, Frankreich vor der Zahlungsunfähigkeit zu retten. Sofort nach seinem Amtsantritt versuchte er, Präsident Robineau von der Banque de France zu feuern und ihn durch seinen alten Freund Émile Moreau zu ersetzen. Ein gründliches Aufräumen in der Banque wäre hilfreich gewesen, ihre Glaubwürdigkeit im Ausland wiederherzustellen. Aber der Staatspräsident lehnte die Idee ab, weil er fürchtete, eine solche Maßnahme könne den Ruf der Banque unwiderruflich kompromittieren. Moreau sah seine Hoffnungen auf eine Wiedergutmachung wieder einmal dahinschwinden.
Caillaux hatte an einigen Fronten Erfolg. Er schaffte es, einen Haushalt durchzusetzen, der zum ersten Mal seit 1913 versprach, die Konten der Regierung auszugleichen. Gleichzeitig schmetterte er den Vorschlag einer Kapitalabgabe ab, einer Art Vermögenssteuer, die den Sozialisten sehr am Herzen lag, deren Androhung aber eine Kapitalflucht auslöste. Im Juli reiste er nach London und traf mit Winston Churchill eine Vereinbarung, die französischen Kriegsschulden bei den Briten auf der Basis von 40 Cents je Dollar zu restrukturieren, wodurch die Schulden effektiv von drei auf 1,2 Milliarden Dollar sanken.
Aber die Kombination aus Frankreichs finanziellen Problemen und seinem politischen Stillstand war sogar für einen Mann von Caillauxs Fähigkeiten als Finanzier und Politiker zu viel. Er reiste nach Washington, um wegen der französischen Kriegsschulden bei den Amerikanern in Höhe von vier Milliarden Dollar eine ähnliche Vereinbarung zu treffen, kam aber mit leeren Händen zurück. Und während seine Ernennung »in eleganten gesellschaftlichen Kreisen und den höheren Rängen des Finanzministeriums« Vertrauen geweckt hatte, war er weniger erfolgreich dabei, ähnliche Begeisterung bei den durchschnittlichen französischen Anlegern auszulösen, die kurzfristige Schuldverschreibungen der Regierung hielten. Er geriet in eine Konfrontation mit den Regenten der Banque de France, die, weil sie sahen, dass die Regierung nicht in der Lage war, alle ihre kurzfristigen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen, Caillaux dazu zu drängen versuchten, eine Art von Schuldenmoratorium zu verhängen – was im Prinzip eine Insolvenzerklärung der Regierung gewesen wäre. Caillaux war
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