Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
aus dem Ruhestand gerufen und mit der Leitung eines Fonds zur Rettung des Franc beauftragt. Der Fonds sammelte 19 Millionen Francs ein, etwas weniger als eine Million Dollar, darunter eine Million Francs von Sir Basil Zaharoff, dem bekannten europäischen Waffenhändler und 100 000 Francs vom New York Herald , dem Vorläufer der heutigen International Herald Tribune .
Die Behörden hatten noch eine Waffe in Reserve, um die Abwärtsspirale zu brechen – die Goldreserven der Banque de France im Wert von mehr als einer Milliarde Dollar. Davon waren etwa 700 Millionen Dollar in den Tresoren in der Rue de la Vrillière und weitere 300 Millionen Dollar im Ausland bei der Bank of England untergebracht.
Während eines großen Teils der modernen Geschichte und bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts nahm Gold einen geradezu heiligen Platz in der französischen Psyche ein. Es wurde so verehrt, dass sich die Regenten in diesen Jahren der finanziellen Turbulenzen nie wirklich dazu durchringen konnten, von ihren Reserven zu zehren. Während des Kriegs hatten die Briten die Banque de France davon zu überzeugen versucht, einen Teil des Goldes für die Kriegsausgaben zu verwenden. Wozu baute man Reserven auf, so fragten sie, wenn man sie dann in Krisenzeiten nicht nutzte? Aber die Banque hatte darauf bestanden, dass ihre Reserven bewahrt werden müssten, damit Frankreich, wenn die Probleme erst einmal vorbei wären, wieder seinen rechtmäßigen Platz in der Wirtschaftsordnung einnehmen könnte – das Gold sei dafür da, die Währung zu stützen. Die französischen Goldreserven waren wie Familienerbstücke, wie Juwelen, »die man niemals herausnehmen und niemals anfassen darf. Sie sollen einfach da sein, als wären sie in einem Glaskasten.«
Anfang 1926 versuchte die Regierung, die ihre Finanzen nun saniert hatte, deren Währung aber immer noch unaufhörlich und unerklärlicherweise im Wert sank, die Banque zu überreden, dass es nun an der Zeit sei, ihr Versprechen einzulösen und den Franc mit Käufen von Auslandswährungen gegen die Sicherheit des Goldes zu stützen. Die Banque lehnte ab. Ihr Verhalten während der gesamten Krise – ihr Widerwille zu helfen und der Mangel an Zusammenarbeit mit der Regierung – war später Grund für die Anklage, die Plutokraten an der Spitze des französischen Bankensystems seien von Anfang an dazu entschlossen gewesen, die linke Koalitionsregierung in die Knie zu zwingen. Le mur d’argent – die Mauer des Geldes – nannte man sie, und dieser Ausdruck wurde zusammen mit les deux cents familles zum doppelten Schlachtruf der Linken in Frankreich.
Von der eigenen Zentralbank im Stich gelassen, versuchte die Regierung im Mai 1926 verzweifelt, im Ausland Kredite zu erhalten. Aber der Skandal um les faux bilans hatte das verbreitete Vorurteil britischer und amerikanischer Bankiers erhärtet, dass die französischen Institutionen – Regierung, Politiker, Presse und nun sogar die Zentralbank – dekadent, korrupt und funktionsuntüchtig waren. Eine französische Delegation suchte Benjamin Strong auf, der sich damals in London aufhielt, um die New Yorker Fed um einen Kredit von 100 Millionen Dollar zu bitten, und wurde prompt abgewiesen. Der französischen Regierung durfte er wegen der Fed-Statuten nichts leihen, und der Banque de France wollte er nichts leihen, bevor alle Beteiligten – Regierung, Opposition, die Banque selbst und die wichtigsten französischen Bankiers – »ihre Streitereien beendeten« und bereit waren zu kooperieren. Bei einem weiteren Treffen in Paris später im Mai, als die französischen offiziellen Vertreter wiederum auf einen Kredit drängten, sagte ihnen Strong, wenn sie das Geld nicht zurückzahlen könnten, womit er rechne, dann müssten die Amerikaner die versprochenen Goldreserven in physischer Form aus den Tresoren der Banque de France holen, wofür man sie »von einem Ende Frankreichs bis zum anderen verurteilen« würde. Nach der Ablehnung durch die Fed wandten sich die Franzosen an alle Investmenthäuser, die sie erreichen konnten – Morgan, Kuhn Loeb und Dillon Read. Alle Banken leisteten Widerstand.
Am 15. Juni hatte das »Ballett der Ministerien« eine volle Runde gedreht, und Joseph Caillaux wurde wieder Finanzminister, zum fünften Mal in seiner politischen Laufbahn. Diesmal gelang es ihm schließlich, Robineau zu feuern, und Émile Moreau wurde eingeladen, dessen Nachfolge anzutreten. Caillaux war entschlossen, das gesamte obere
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