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Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Titel: Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaquat Ahamed
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Eulenberg gewesen war.
    Wenn sie in der Stadt waren, veranstalteten die Schachts oft Empfänge. Mit seiner »hässlichen Clownsmaske von einem Gesicht, das auf merkwürdige Weise lebendig und attraktiv war«, wurde Schacht so etwas wie ein Fixpunkt des gesellschaftlichen Lebens. Stets rauchte er dicke Zigarren und wurde von seiner matronenhaften Frau Luise begleitet, die ein »wachsames Auge« auf ihn hatte – es hieß, er sei weiblichen Reizen nicht abgeneigt. Er pflegte eine pompöse Art der Selbstdarstellung, was manche irritierend fanden, während sich andere hinter seinem Rücken über seine an einen Emporkömmling gemahnende Großspurigkeit lustig machten – ein Bekannter bemerkte, er kleide sich »mit dem Geschmack eines gesellschaftlich ehrgeizigen kleinen Angestellten.« Dennoch war er ein beliebter Gast, der für seinen »schneidenden und vernichtenden Humor« gefeiert wurde. Der Aga Khan erinnerte sich an den Schacht dieser Jahre als an einen der charmantesten Gesprächspartner beim Dinner, der mit seiner anregenden Konversation »einen ganzen Tisch fesseln« konnte. Da er sich selbst für einen Dichter hielt, ersann Schacht amüsante kleine Knittelverse, mit denen er die anderen Gäste unterhielt.
    Vor dem Krieg war das gesellschaftliche Leben in Berlin außerordentlich bedrückend gewesen. Unter der lähmenden Hierarchie der Junker-Elite im Umfeld des kaiserlichen Hofs gab es kaum Kontakte zwischen den verschiedenen Kreisen in der Stadt. Aber der Sturz des alten preußischen Adels und die Zerstörung der Mittelschicht durch die Inflation hatten Berlin zu einer entwurzelten Gesellschaft aus Politikern und Profitjägern, früheren Aristokraten und ausländischen Diplomaten gemacht. Ohne seine von Künstlern geprägte Halbwelt wäre Berlin eine langweilige und seelenlose Stadt gewesen. Jetzt, da die Vergangenheit weggewischt worden war, steckte Berlin voller verrückter Energie und einem Tatendrang, mit dem sich keine andere Stadt Europas messen konnte. Berlin hatte den besten Teil der europäischen Avantgarde angelockt: Schriftsteller, Maler, Architekten, Musiker und Dramatiker. William Shirer, der Journalist, der später zum Chronisten des Aufstiegs des Nationalsozialismus werden sollte, kam in diesen Jahren erstmals nach Berlin und war fasziniert. »Das Leben schien freier, moderner und aufregender als an jedem anderen Ort, den ich je gesehen hatte.«
    Aber trotz all ihres »juwelenhaften Glanzes« steckte die Stadt in einer Atmosphäre des bevorstehenden Untergangs. Norman spürte das, als er Schacht Ende 1926 besuchte: »Man fühlt ständig, dass Deutschland politisch und ökonomisch nicht weit von einem Abgrund entfernt ist.« Nach dem Fiasko des Bierkellerputschs war Hitler für die meisten Menschen zur Lachnummer geworden. Trotzdem gab es ominöse Anzeichen bevorstehender Umwälzungen. Am 21. März 1927 schlug im Osten Berlins eine Horde von 600 Braunhemden aus der Sturmabteilung oder SA eine Gruppe von Kommunisten zusammen und marschierte ins Zentrum Berlins, wobei sie auf dem Kurfürstendamm jeden attackierte, der jüdisch aussah. Die städtischen Behörden reagierten darauf, indem sie jegliche Nazi-Aktivitäten in Berlin für ein Jahr untersagten.
    Aber die Wirtschaft boomte. In den drei Jahren seit der Stabilisierung der Mark waren die Industrieproduktion um 50 Prozent und die Exporte um über 75 Prozent gestiegen. Das Bruttoinlandsprodukt lag um gut 20 Prozent über dem Vorkriegsniveau, die Arbeitslosenrate betrug moderate sechs Prozent und die Preise waren stabil. Die Erholung zeigte sich auch am Aktienmarkt. Während der Hyperinflation hatten nur wenige geglaubt, der Kapitalismus werde in Deutschland überleben. Aktien waren spottbillig geworden und auf weniger als 15 Prozent ihres inflationsbereinigten Werts von 1913 gefallen. Für den Preis von 227 seiner Autos hätte man zum Beispiel das gesamte Automobilunternehmen Daimler-Benz kaufen können. 1927 hatte sich der Markt gemessen am Tief von 1922 allerdings im Wert vervierfacht.
    Der Dawes-Plan war ein enormer Erfolg gewesen. Eigentlich hatte er fast zu gut funktioniert. Amerikanische Bankiers, denen man zugesichert hatte, ihre Zahlungsansprüche seien gegenüber den Reparationen an Frankreich und Großbritannien vorrangig, überschlugen sich vor Begeisterung, Deutschland Geld zu leihen. In den zwei Jahren seit der Verabschiedung des Plans waren 1,5 Milliarden Dollar ins Land geflossen. So verfügte Deutschland über die für die

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