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Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Titel: Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaquat Ahamed
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Tasten der Schreibmaschinen mit einem kleinen Gummihammer, den Babson ausdrücklich höchstpersönlich erfunden hatte. Er war ein strikter Verfechter der Prohibition, hielt die Schwerkraft der Newtonschen Physik für eine heimtückische Macht und hatte eine Broschüre mit dem Titel Die Schwerkraft – unser schlimmster Feind veröffentlicht. 44 Er hatte schon seit zwei Jahren einen Börsencrash prognostiziert und war bislang vollkommen ignoriert worden.
    Nach Babsons düsterer Prognose bat die New York Times Irving Fisher, Wirtschaftsprofessor in Yale und prominentester Wirtschaftswissenschaftler seiner Zeit, um eine Erwiderung. Fisher war eigentlich Mathematiker, hatte bedeutende Beiträge zur Geld- und Zinstheorie geleistet und war ein ebenso seltsamer Vogel wie Babson. Auch er hatte an Tuberkulose gelitten – in seinem Fall allerdings im Alter von 31 Jahren – und war als überzeugter Vegetarier aus dem Sanatorium gekommen. Er litt an schrecklicher Schlaflosigkeit, und um diese zu überwinden, hatte er einen bizarren elektrischen Apparat konstruiert, den er an sein Bett hängte und von dem er überzeugt war, er helfe ihm beim Einschlafen. Zudem war er ein Verfechter der Zuchtwahl und Vorstand der amerikanischen Gesellschaft für Eugenik. Er glaubte, Geisteskrankheiten würden durch Infektionen der Zahnwurzeln und der inneren Organe verursacht, und wie Babson war er ein glühender Anhänger der Prohibition. Bis 1929 hatte er sogar schon zwei Bücher über die volkswirtschaftlichen Vorteile der Prohibition geschrieben. Ebenso wie Babson war er ein wohlhabender Mann. Er hatte eine Maschine zur Aufbewahrung von Karteikarten erfunden – einen Vorläufer des Rolodex-Systems – und das Patent 1925 für mehrere Millionen Dollar an Remington Rand verkauft. 1929 besaß er etwa zehn Millionen Dollar, die sämtlich am Aktienmarkt investiert waren.
    Im Vorwort zu seinem Artikel räumte er ein, dass »niemand von uns unfehlbar ist.« Dann erklärte er: »Die Aktienkurse sind nicht zu hoch, und an der Wall Street wird es nichts geben, was einem Crash ähnelt.« Er war ein bekannter Marktbeobachter und stützte seine Einschätzung auf die Annahme, dass die Zukunft ganz ähnlich verlaufen werde wie die jüngste Vergangenheit und dass die Unternehmensgewinne wie in den letzten fünf Jahren um jährlich mehr als zehn Prozent steigen würden. Das war ein frühes Beispiel dafür, welche Fallen lauern, wenn man zu sehr auf die Fähigkeiten von Mathematikern mit ihren fehlerhaften Modellen vertraut, um besser abzuschneiden als der Markt. Einfache, am gesunden Menschenverstand ausgerichtete Techniken der Aktienbewertung, wie sie Babson anwandte – zum Beispiel die Ansicht, dass sich die Kurse im Gleichschritt mit den Dividenden bewegen sollten –, deuteten darauf hin, dass die Aktien um 30 bis 40 Prozent überbewertet waren.
    Obwohl der Markt am Tag von Babsons Prognose zunächst scharf einbrach, erholte er sich schon am nächsten Tag, weil man an der Börse Fishers süßes Elixier gegenüber Babsons bitterer Medizin bevorzugte. Babson, der »Prophet der Verluste«, wie man ihn nun nannte, wurde in der ganzen Wall Street verspottet. Sogar BusinessWeek machte sich wegen seiner »Babson-Gesinnung« über ihn lustig. Im Monat September kämpften diese beiden Spinner aus New England – Babson und Fisher – um die Seele der Börse. Immer wenn einer von ihnen zitiert wurde, erhielten die Zeitungen eine gegenteilige Darstellung des anderen.
    Der offizielle Chronist der Konjunkturzyklen in den Vereinigten Staaten, das National Bureau of Economic Research, eine 1920 gegründete, nicht gewinnorientierte Organisation, erklärte – wenn auch erst etliche Monate später –, dass in diesem August eine Rezession begonnen hatte. Aber im September war sich dessen noch niemand bewusst. Es gab gewisse Anzeichen für eine Verlangsamung der Konjunktur, vor allem in einigen der zinssensitiven Sektoren – die Autoverkäufe waren rückläufig, die Bautätigkeit ebenfalls, aber die meisten kurzfristigen Indikatoren, zum Beispiel die Stahlproduktion oder die Frachtauslastung der Eisenbahnen waren immer noch außergewöhnlich stark.
    Mitte des Monats hatte der Markt seine Hochs wieder erreicht, und Babsons Crash-Prognose war völlig in Misskredit geraten. Die breiter gefassten Indizes stiegen sogar auf Rekordstände. Zum Beispiel erreichte das am meisten beachtete Marktbarometer, der Stammaktien-Index der New York Times , sein Allzeithoch am 19.

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