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Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Titel: Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaquat Ahamed
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September – obwohl der Dow nicht mehr auf 381 Punkte stieg.
    Sogar der in aller Regel pessimistische Alexander Dana Noyes von der New York Times beurteilte die Prognose eines Marktzusammenbruchs mit Skepsis. Er schrieb, es sei »vielleicht nicht überraschend, dass die Vorstellung von einem extrem lähmenden und katastrophalen Crash … so wenige Anhänger gefunden hat«. Im Gegensatz zu früheren Episoden gebe es nun ja »die Macht und die schützenden Ressourcen der Federal Reserve«, und der Markt sei »gegen die Zuckungen der von früher bekannten Paniken gewappnet … wegen der hohen Goldvorräte des Landes.« Vor jedem Crash in der Vergangenheit hatte es einen wie auch immer gearteten externen Schock gegeben, der die Psychologie der Herde gebrochen hatte. Den Crash von 1873 hatte der Bankrott von Jay Cooke and Company eingeleitet. 1893 war es die Pleite der National Cordage Company und 1907 der Kollaps der Knickerbocker Trust Company. Noyes war beruhigt durch die Tatsache, dass ein solches Ereignis in keiner Weise in Sicht war.
    Er hatte sich zu früh geäußert. Am Freitag, dem 19. September, brach plötzlich das Imperium des britischen Finanziers Clarence Hatry zusammen, was für die Investoren Verluste von nahezu 70 Millionen Dollar zur Folge hatte. Hatry, der Sohn eines wohlhabenden jüdischen Seidenhändlers, hatte die St. Paul’s School in London besucht, gleich darauf das Geschäft seines Vaters übernommen und war schon mit 25 Jahren pleite. Mit 35 war er allerdings wieder ein reicher Mann. Er hatte sich sein Vermögen mit Spekulationen in Ölaktien und der Förderung von Industriekonglomeraten im rauschhaften Fusionsboom der Nachkriegszeit zurückgeholt. In den 1920er-Jahren glich seine Karriere als Unternehmer einer Achterbahnfahrt mit spektakulären Erfolgen und nicht weniger dramatischen Fehlschlägen. Gegen Ende des Jahrzehnts hatte er seine Finger in beinahe jeder Ecke der britischen Wirtschaft. Er machte ein Vermögen mit dem Aufbau eines Einzelhandels-Konglomerats, des Drapery Trusts, das er später an die Warenhauskette Debenhams verkaufte. Er organisierte die Fusion der Londoner Busunternehmen zur London General Omnibus Company, leitete eine auf Kommunalobligationen spezialisierte Brokerfirma und mehrere Investment-Trusts, die am Aktienmarkt spekulierten. Seine letzten Firmen waren die Photomatic Parent Company, die eine landesweite Kette von Photoautomaten betrieb, und die Associated Automatic Machine Corporation, die Verkaufsautomaten an Bahnsteigen besaß.
    Hatry war ein kleiner, bleicher und schmächtiger Mann mit kurz gestutztem Schnurrbart, und er war so extravagant, dass es hieß, er lasse sogar die Sohlen seiner Schuhe polieren. Er wohnte in einem schreiend bunt ausgestatteten Herrenhaus in Stanhope Gate in der Nähe der Park Lane. Auf dem Dach des Hauses befand sich ein Swimmingpool, an dem er verschwenderische Partys veranstaltete. Er besaß die in seinen Kreisen üblichen Rennpferde, veranstaltete Empfänge in seinem Landhaus in Sussex und besaß die größte Yacht in britischen Gewässern mit 40 Mann Besatzung. Überflüssig zu erwähnen, dass er sich in der traditionellen britischen Gesellschaft mit seinem vulgären und extravaganten Hollywood-Lebensstil keine Freunde machte.
    Das finanzielle Establishment der Londoner City wahrte geziemenden Abstand zu ihm. »Mr. Hatry ist sehr klug, und ein, zwei Leute, die wir kennen und die mit ihm Geschäfte gemacht haben, sagten uns immer, sie hätten nichts gegen ihn«, schrieb Morgan Grenfell an seine Geschäftspartner J. P. Morgan & Co. Aber dann hieß es im selben Brief weiter: »Er ist Jude. Sein Ansehen hier [in London] ist keineswegs gut. Wir selbst würden nicht daran denken, mit ihm Geschäfte zu machen.« Mit seinem offenbar enormen Reichtum gelang es ihm trotzdem, einige der bedeutendsten Persönlichkeiten des Landes in seinen Verwaltungsrat zu locken. Zum Beispiel war der Marquis von Winchester, der seinen Adelstitel bis zur Zeit von Heinrich VIII. zurückverfolgen konnte, was kein anderer Adeliger seines Ranges vermochte, Vorstand eines seiner Unternehmen – und niemand stellte seine finanzielle Situation in Frage.
    1929 hatte er große Pläne zur Rationalisierung der britischen Stahlindustrie und kaufte einen bedeutenden Stahlproduzenten, United Steel Limited, für 40 Millionen Dollar. Heute würde man dies einen kreditfinanzierten Unternehmenskauf nennen. Im Juni zogen seine Bankiers ihre Finanzierungszusagen in letzter

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