Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
handelte es sich dabei um Nacht-und-Nebel-Aktionen. Das Geld wurde an einen Händler in Berlin geschickt, der es auf ein Sonderkonto einzahlte und zehn Prozent an die Russen auszahlte. Derweil wurden die Bilder heimlich aus der Eremitage in St. Petersburg entfernt, wobei man die daneben hängenden Gemälde neu positionierte, um das Verschwinden zu vertuschen. Dann wurden die Kunstwerke bei einem geheimen Treffen übergeben und von Berlin aus in die USA gesandt. Auf diese Weise gab der Finanzminister 1930 und in den ersten Monaten 1931 fast sieben Millionen Dollar von seinem Geld aus und kaufte die Hälfte der großartigsten Gemälde aus der Eremitage. Darunter waren Raphaels Madonna des Hauses Alba , Tizians Venus mit dem Spiegel , Botticellis Anbetung der Heiligen drei Könige und Rembrandts Der Türke , dazu einige Werke von Van Eyck, Van Dyck und Frans Hals.
Es war wahrscheinlich der größte einzelne Kunstkauf des Jahrhunderts. Mellon überließ die profanen Angelegenheiten der Wirtschaftspolitik seinem Stellvertreter Ogden Mills und widmete sich vollständig dieser Transaktion. Im September 1930 war er einmal so sehr in eine Diskussion mit einem seiner Kunsthändler vertieft, dass er eine Gruppe Bankiers zwei Stunden warten ließ.
Da die Bundesregierung nicht handeln konnte und wollte – oder, in Mellons Fall, vielleicht anderweitig beschäftigt war –, fiel die Aufgabe, die schwächer werdende Wirtschaft zu managen, fast vollständig der Fed zu. Zwischen November 1929 und Juni 1930 lockerte die Fed ihre Geldpolitik dramatisch. Sie pumpte nahezu 500 Millionen Dollar in bar ins Bankensystem und reduzierte die Zinsen von sechs auf 2,5 Prozent – was hauptsächlich das Werk Harrisons in New York war. Das Board in Washington registrierte nur widerwillig das ganze Ausmaß dessen, was geschehen war. Harrison musste sich nicht nur mit der ständigen Verzögerungspolitik des Boards herumschlagen, sondern sah sich auch mit dem offenen Widerstand von Präsidenten der anderen regionalen Reservebanken konfrontiert. Sieben von den zwölf – die aus Boston, Philadelphia, Chicago, Kansas City, Minneapolis, Dallas und San Francisco – widersetzten sich seinen Versuchen einer energischen Zinssenkung.
Die meisten Fed-Präsidenten befürchteten, die »künstlichen« Versuche, die Wirtschaft zu stimulieren, indem man Liquidität ins Bankensystem pumpte, würden nicht die geschäftlichen Aktivitäten wieder in Gang bringen, sondern nur einen weiteren Spekulationsschub auslösen. Zu viele billige Kredite hatten ja schließlich die ursprüngliche Spekulationsblase entstehen lassen. Warum, so fragten die Präsidenten, sollte man nun, da die Blase geplatzt war und die Aktienkurse auf ein vernünftigeres Niveau sanken, den Prozess abkürzen, indem man die Kredite wieder zu billig machte? Einer argumentierte, eine weitere Lockerung würde nur zu einer Wiederholung »des Experiments von 1927 führen, das nun allgemein … als katastrophal gilt.« Die Rezession war eine direkte Folge der übertriebenen Spekulation in der Vergangenheit, als man das Geld auf absurde und unökonomische Weise verschwendet hatte. Der einzige Weg zurück zu einer gesunden Wirtschaft war, sie eine Weile leiden zu lassen, eine Art Buße für die Exzesse der letzten Jahre.
Weil die Vorstellung einer aktiven Geldpolitik zur Bekämpfung des Konjunkturzyklus zu neuartig und das Wissen über das Funktionieren der Wirtschaft so primitiv war, wurden die Debatten zwischen den verschiedenen Fraktionen innerhalb der Fed höchst konfus und manchmal gänzlich unverständlich. Im September 1930 argumentierte Präsident Norris, ansonsten ein höchst kompetenter und angesehener Bankier, bei einem Treffen der Fed, eine Zinssenkung sei exakt die falsche Politik. »Wir haben in einer Phase der Depression Kredite vergeben, als man sie nicht brauchte und nicht nutzen konnte, und wir werden die Kredite zurückziehen müssen, wenn man sie braucht und nutzen kann.« Er bemerkte allerdings nicht, dass die Logik seiner Prämisse ihn zu der seltsam abwegigen Empfehlung geführt hätte, die Fed solle in einer Depression die Kreditvergabe einschränken, damit sie während eines Booms umfangreiche Kredite vergeben konnte.
Ohne ein gemeinsames Vokabular zum Ausdruck ihrer Ideen nahmen die offiziellen Vertreter der Fed Zuflucht zu Analogien. Einer der Präsidenten verglich jeden Versuch der Fed zur Wiederbelebung der Wirtschaft mit einer Musikkapelle, die verzweifelt versuchte,
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